75 Jahre Kriegsende – Die Heldenstädte der Sowjetunion
75 Jahre Kriegsende – Die Heldenstädte der Sowjetunion
<<город-герой>>, zu Deutsch: Heldenstadt. Für 12 Städte Russlands ist dieser Titel eine besondere Ehrung. Zwischen geschätzten 25 und 40 Millionen sowjetischen Soldaten und Bürger ließen im Kampf gegen den Angriff des deutschen Nationalsozialismus ihr Leben. Die Männer und Frauen, die während des „Großen Vaterländischen Krieges“, wie er in Russland genannt wird, der deutschen Armee Widerstand leisteten, werden heute wie damals in Russland gefeiert und geehrt. Die Städte, die es in diesem Krieg besonders hart traf oder eine entscheidende Rolle im Ausgang des Krieges spielten, wurden für ihre Leistungen und überstandenen Strapazen auf besondere Art und Weise geehrt. Zwölf Städte und die Festung Brest erhielten neben dem Titel der „Heldenstädte“ auch die Medaille „Goldener Stern“. Neben dem Grabmal des unbekannten Soldaten sind die Städte der Reihe nach aufgeführt. Diese besondere Ehrung und die damit verbundene Erinnerungskultur sind heute eine besondere Touristenattraktion.
In dieser Rubrik stellt Euch Kulturportal Russland diese Städte vor.
1. Leningrad
Die erste Stadt, an die dieser Titel vergeben wurde, war Leningrad (heute St. Petersburg). Die Stadt bekam noch am 1. Mai 1945, also wenige Tage vor dem tatsächlichen Sieg über das Deutsche Reich im Zweiten Weltkrieg und dem Ende des „Großen Vaterländischen Krieges“ den Status der Heldenstadt für ihren Durchhaltewillen und die Entbehrungen während der erfolglosen Belagerung durch die Nazis von 1941 bis 1944 verliehen.
Sehenswürdigkeiten in St. Petersburg (ehemals Leningrad)
Das Schauspiel der Brückenöffnungen
St. Petersburg wird oft das Venedig des Nordens genannt und obwohl diese Bezeichnung dieser einzigartigen Stadt mit ihrem ganz eigenen Charakter nicht gerecht wird, trifft sie doch in gewisser Weise zu. Denn auch die Planstadt das Zaren Peter des Großen ist durchzogen von Wasserstraßen, Kanälen und Brücken. Ein wunderschön romantisches Ereignis sind die Öffnungen der Zugbrücken. Zur Sommerzeit, wenn die Neva nicht gefroren ist, werden jede Nacht einige der Brücken für große Handelsschiffe geöffnet. Insbesondere die Öffnungen der Troizki- und der Palast-Brücke, die sich über die Große Neva erstrecken und die Wassiljewski-Insel mit dem Festland verbinden, bieten ein ansehnliches und beeindruckendes Schauspiel. Die schweren Stahlkonstruktionen werden langsam und gemächlich nach oben gezogen, während ringsherum die beleuchteten Straßen und architektonischen Meisterwerke der Stadt wie das Eremitage oder die Peter und Paul-Festung in die Nacht hineinscheinen. Am besten kann man dieses Schauspiel auf einer der zahlreichen Bootstouren betrachten, bei denen man hautnah an die Brücken herangefahren wird und einen wunderbaren Rundumblick auf die Neva und die an ihrem Ufer stehenden Gebäude genießen kann.
Das Eremitage-Museum
Im Eremitage-Museum in St. Petersburg kann man Werke bedeutender Künstler wie Da Vinci, Rembrandt, Gauguin, Rubens oder Matisse bestaunen. Aber auch archäologische Sammlungen aus aller Welt, wie beispielsweise der Dschingisstein, das älteste bekannte Beweisstück für die Existenz mongolischer Schrift oder eine umfangreiche Sammlung aus der Geschichte Sibiriens liegen hier in den Ausstellungssälen.
Doch nicht nur die Ausstellungsobjekte sind interessant. Das Museumsgebäude selbst sticht mit seiner bewegenden Geschichte und seiner beindruckenden, prunkvollen Erscheinung hervor. Ursprünglich war das Museum als Rückzugsort der Zarenfamilien gedacht. Sie hatten mit der Eremitage einen Ort, an dem sie sich ausschließlich mit Kunst umgeben und Muse finden konnten. Im 17. Jahrhundert erweiterte die kunstbegeisterte Zarin Katharina die Große, die Sammlungen des Museums massiv. Später, im 19. Jahrhundert wurde der Gebäudekomplex ausgebaut und das dabei entstandene „Neue Eremitage“ als Museum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Als es 1917 zur Oktoberrevolution kam, mussten die geschlagenen Adeligen schlussendlich auch ihre zum Komplex gehörende Hauptresidenz, den Winterpalast, aufgeben, der nun ebenfalls zu einem Teil des öffentlichen Museums wurde. Heute gilt das Eremitage-Museum mit seinen 350 Sälen und etwa 65.000 Exponaten als eines der bedeutendsten Kunstmuseen Europas.
2. Odessa
Die am Schwarzen Meer in der Ukraine liegende Hafenstadt wurde in der damaligen Sowjetunion wegen ihrer langanhaltenden, standhaften Verteidigung durch die sowjetischen Einheiten am 1. Mai 1945 zur Heldenstadt ernannt.
Die Potemkin-Treppe – Das Wahrzeichen Odessas
Die Stadt ist heutzutage für viele Osteuropäer eine Stadt für Sommerurlaube, so wie es für Westeuropäer Städte wie Biarritz oder verschiedene Orte der Côte d’Azur sind. Die kilometerlangen Sandstrände der Stadt sind nur einen Katzensprung entfernt vom historischen Zentrum Odessas. Einer der Wege dorthin führt vom Hafen aus über die Potemkin-Treppe, dem Wahrzeichen der Stadt. Je weiter man auf dieser Treppe nach oben geht, desto jünger wird ihr Baustil. Diese Bauweise, soll den Menschen die auf ihr gehen, eine historische Perspektive auf die Stadt vermitteln. Weitere Popularität erlangte die Potemkin-Treppe 1925, als der sowjetische Filmpionier Sergei Eisenstein dort seinen Film „Panzerkreuzer Potemkin“ drehte und die Treppe damit zu einer Ikone des 20. Jahrhunderts machte. Doch nicht nur bei Touristen ist sie beliebt, auch die Einheimischen verbringen dort gerne ihre Sommertage.
3. Sewastopol
Der auf der Halbinsel Krim liegenden Stadt wurde am 1. Mai 1945, für den Widerstand in der Schlacht um die Stadt und die Weigerung zu kapitulieren der Titel der Heldenstadt verliehen.
Das Denkmal der versenkten Schiffe
Die wunderschön, am Schwarzen Meer, auf der Krim gelegene historische Stadt, die mit den Besiedlungen durch das antike Griechenland, Rom, des Königreichs Byzanz und der Tataren eine reiche kulturelle Geschichte prägt, hat eine ebenso konfliktreiche Vergangenheit. Aufgrund ihrer strategisch wichtigen Lage, war die Stadt der sowjetischen und später russischen Schwarzmeerflotte immer wieder Gegenstand militärischer Konflikte. Momentan ist es jedoch ruhig in der ca. 400.000 Einwohner großen Hafenstadt und man kann die zahlreichen Denkmäler die den Verlusten und Erfolgen der vergangenen Auseinandersetzungen gewidmet sind, betrachten. So zum Beispiel das Denkmal der versenkten Schiffe, auch die Adlersäule genannt. Sie wurde im Jahre 1904 auf einem Felsen im Hafenbecken erbaut und erinnert an die 1854 im Zuge des von 1853–1856 andauernden Krimkrieg in der Hafenbucht versenkten russischen Schiffe.
4. Stalingrad (heute Wolgograd)
Ebenfalls am 1. Mai 1945, wurde der Industriestadt mit ca. 1 Millionen Einwohnern, für die Verteidigung während der Schlacht um Stalingrad der Status der Heldenstadt zugesprochen.
„Mutter Heimat ruft“-Statue
Das größte Denkmal der Stadt, welches eines der größten Monumente Russlands ist, steht direkt mit der damaligen Schlacht um Stalingrad, die den Verlauf des Krieges entscheidend beeinflusste in Verbindung. Der Sieg der Sowjets in dieser Schlacht, die über drei Monate andauerte, stellte einen bedeutenden und wichtigen Schlag im Kampf gegen Hitlers Truppen dar. Ihr ist die sage und schreibe 85 Meter hohe Statue „Mutter Heimat ruft“ gewidmet.
5. Die Festung Brest
Die heute in Weißrussland gelegene Festung wurde am 8. Mai 1965, anlässlich des 20. Jahrestages des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg für den Widerstand beim Angriff der Deutschen als Heldenfestung geehrt.
Der Spielfilm „Sturm auf Festung Brest“ zeigt den Kampf um die Festung. Hier könnt Ihr ihn Euch ansehen.
6. Kiew
Die heutige Hauptstadt der Ukraine bekam am 8. Mai 1965, anlässlich des 20. Jahrestages des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg für den Widerstand bei der Schlacht um die Stadt, den Titel der Heldenstadt verliehen.
Heute zählt Kiew ca. 2,95 Miliionen Einwohner und ist weltbekannt für sein großes kulturelles Angebot. So kommen seit einigen Jahren nicht nur Touristen aus Osteuropa nach Kiew, sondern auch immer mehr Reiselustige aus dem Westen. Vor allem junge Menschen aus Westeuropa zieht es in die Metropole um die klassisch östlich und sowjetisch geprägte Architektur und das berühmte Kiewer Nightlife zu erleben, das mitunter schon mit dem in Paris oder anderen altbekannten Metropolen Europas verglichen wird.
Maidan Nesaleschnosti
Der geschichtsträchtige Maidan, auf dem 2014 noch Proteste und Kämpfe stattfanden erstrahlt heute wieder in alter Schönheit. Das Hotel Ukraina, die Nationale Musikakademie und die Unabhängigkeitssäule der Ukraine schmücken den Platz im Stadtzentrum. Ob tagsüber im strahlenden Sonnenschein oder nachts im Licht der beeindruckend in Szene gesetzten Gebäude ist der Maidan Nesaleschnosti immer einen Besuch wert.
7. Moskau
Am 8. Mai 1965, anlässlich des 20. Jahrestages des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg wurde Moskau für die Verteidigung bei der Schlacht um die Stadt zur Heldenstadt ernannt. Der Sieg in Moskau war von großer Bedeutung für den Ausgang des Krieges. Hätten die Truppen der Wehrmacht die Hauptstadt der UdSSR eingenommen, wäre diese bedeutend geschwächt – wenn nicht vollständig besiegt gewesen. Die Niederlage bei Moskau bedeutete wie die verlorene Schlacht in Stalingrad, einen herben und ausschlaggebenden strategischen und moralischen Rückschlag für die deutschen Truppen. Das Gegenteil war auf sowjetischer Seite der Fall, für die der Sieg mit einem großen Aufatmen der Bevölkerung und starker Motivation der Soldaten für die kommenden Schlachten in Verbindung stand. So gilt sie bis heute als die wichtigste Schlacht der Sowjetunion im Großen Vaterländischen Krieg.
8. Kertsch
Ketsch bekam am 8. Mai 1965, anlässlich des 20. Jahrestages des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg für den Widerstand bei der Schlacht um Kiew den Ehrentitel verliehen.
Die Stadt auf der Halbinsel Krim ist geprägt von einer kulturell vielfältigen Geschichte. So war so im Laufe ihrer Historie schon einmal griechische Kolonialstadt, wurde von den Hunnen im 4. Jahrhundert zerstört, gehörte dann im 6. Jahrhundert zum Byzantinischen Reich, ab dem 15. Jahrhundert stand sie unter dem Einfluss des Osmanischen Reiches, bevor sie dann im späten 18. Jahrhundert mitsamt ihrer von den Osmanen erbauten Festung „Jeni-Kale“ an das Russische Reich angeschlossen wurde. Die massive Festung im orientalischen Stil kann man heute noch betrachten. Sie ersteckt sich über ganze 2,5 Hektar und enthielt als sie noch genutzt wurde neben der militärischen Ausstattung durch Waffenkammern und ein Pulvermagazin auch Wohnhäuser und Moscheen.
9. Noworossijsk
Noworossijsk wurde am 14. September 1973, anlässlich des 30. Jahrestages der Beendigung der Schlacht um den Kaukasus und der Befreiung der Krim zur Heldenstadt ernannt.
Heute zählt die Stadt am Schwarzen Meer zu einem wichtigen wirtschaftlichen Standort Russlands. Der Hafen Noworossijsks ist dem Warenumsatz nach der größte des Landes. In der Umgebung, die sich wunderbar zum Wandern eignet, liegt eines der wenigen Weinbaugebiete Russlands. Auch die zwei Kilometer lange Uferpromenade innerhalb der Stadt lädt zum Spazieren ein.
10. Minsk
Der heutigen Hauptstadt von Weißrussland wurde 26. Juni 1974, anlässlich des 30. Jahrestages der Befreiung Weißrusslands der Titel der Heldenstadt verliehen. Ganz Weißrussland litt sehr unter dem Zweiten Weltkrieg. Hier wurden ca. 25 Prozent der Bevölkerung getötet.
Der Oktoberplatz
In der heute immer noch sehr sowjetisch geprägten Stadt lassen sich noch immer Orte des sowjetischen Ruhms betrachten, so zum Beispiel auch der Oktoberplatz, der – wie der Name bereits verrät, der Oktoberrevolution 1917 – zu Ehren benannt ist. An diesem Platz sind viele wichtige Gebäude Weißrusslands verortet. Neben dem Palast der Republik und dem Kulturpalast der Gewerkschaften findet man hier auch das Museum des Großen Vaterländischen Krieges.
11. Tula
Die Stadt im Zentrum des europäischen Teil Russlands wurde am 07.12.1976 für die erfolgreiche Verteidung der Stadt gegen die Wehrmacht zur Heldenstadt ernannt.
Der Kreml in Tula
Nicht nur in Moskau steht ein Kreml (was übersetzt so viel heißt wie Zitadelle). Einer steht auch in Tula. Er ist das Wahrzeichen und die berühmteste Sehenswürdigkeit der Stadt. Das Bauwerk wurde von 1509 bis 1520 zum Schutz des Moskauer Großfürstentums errichtet und erwies sich in den folgenden Jahrhunderten als fast unbezwingbar.
Die Architektur des Kremls erinnert sehr an sein Moskauer Pendant. Von den Backsteinmauern, die an ihrem oberen Ende durch zahnförmige Spitzen verziert sind, bis hin zu den runden Türmen an den Ecken der Festung, ist das Gebäude in typisch russischem Kremlbaustil gehalten. Innerhalb der Zitadelle gab es neben sämtlichen militärischen Installationen und Räumlichkeiten auch eine Kirche. Die Uspenski-Kathedrale zählt heute als schönstes und auffäligstes Gebäude innerhalb der bis zu drei Meter dicken Kremlmauern. Die mit zwei Zwiebeltürmen gekrönte Gotteshaus wurde als eine in sich symmetrische Konstruktion erbaut und ist so von außen, wie auch von Innen, wo sie von 36 Meistern aus Jaroslawl aufwendig bemalt wurde ein wahrer Hingucker.
Hier könnt Ihr den Kreml in Tula auf einer Videotour betrachten.
12. Murmansk
Am 6. Mai 1985, anlässlich des 40. Jahrestages des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg wurde die nördlich des Polarkreises gelegene Stadt für die Verteidigung des eisfreien Hafens beim deutschen Unternehmen Silberfuchs mit dem Titel der Heldenstadt geehrt.
Die Stadt, die bis 1991 militärisches Sperrgebiet war hat obwohl sie nördlich des Polarkreises liegt, dank des Golfstroms auch im Winter einen eisfreien Hafen. Die Stadt wird aufgrund ihres großen Hafens und ihrer geographischen Lage auch „Kapstadt des Nordens genannt“.
„Здравствуй, Солнце!“(Sei gegrüßt, Sonne!)
Vom 29. November bis zum 15. Januar herrscht in Murmansk durchgehende Dunkelheit. Erst danach lassen sich die ersten Sonnenstrahlen wieder blicken. Im Zuge der „Widerkehr“ der Sonne, wird in der Stadt groß gefeiert. Am letzten Sonntag des Januars finden in der Innenstadt Musik- und Tanzauftritte der indigenen Bewohner, der Samen statt. Außerdem werden Rentierrennen und Eissegelwettbewerbe veranstaltet.
13. Smolensk
Am 6. Mai 1985, anlässlich des 40. Jahrestages des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg für die Verdienste bei der Schlacht um die Stadt wurde Smolensk der Titel der Heldenstadt verliehen.
Mit Smolensk schließen wir nun unsere Serie der Heldenstädte ab. Die im 9. Jahrhundert erstmals erwähnte Stadt ist eine der ältesten Russlands. So wird das Stadtbild von Gebäuden aus unterschiedlichen Epochen geprägt. Die größte Sehenswürdigkeit der Stadt sind die Festungsmauern, welche sich rund um die Altstadt ziehen, aber auch die verschiedenen Kirchen der Stadt, wie die Peter-Paul-Kirche aus dem 12. Jahrhundert oder die Mariä-Entschlafens-Kathedrale, die im 17. Jahrhundert erbaut wurde, sind einen Besuch wert.