Wie wird Silvester in Moskau gefeiert?
Wie wird Silvester in Moskau gefeiert?
von Leah Hemptenmacher
Silvester ist bekannt als einer der wichtigsten Feiertage in Russland. Das Jahresende stellt für viele gleichzeitig auch den Höhepunkt des Jahres dar. In diesem Artikel wollen wir einen genaueren Blick auf das Geschehen werfen und uns der Festtagskultur in Moskau widmen.
Lange richtete man sich in Russland nach dem julianischen Kalender, der im Jahre 1700 durch Peter den Großen eingeführt wurde. 1918 wurde dieser dann offiziell vom gregorianischen abgelöst, der auch heute in Europa verwendet wird. In orthodox-kirchlichen Kreisen zählt aber noch immer das alte Modell, demnach werden manche Feiertage 13 Tage später gefeiert. Bei den Russen fällt Weihnachten folglich auf den 07. Januar und „Stary Novy God“ (das alte Neujahr) auf den 14. Januar. Dieser Tag wird aus Tradition durchaus noch gefeiert, das Hauptfest findet jedoch am 31. Dezember
statt.
Zeichnen wir also das Bild der Silvesterfeierlichkeiten in Moskau: Viele Moskauer lieben schillernden Prunk. Die gesamte Weihnachtszeit in der russischen Hauptstadt ist äußerst festlich ausgestaltet und mit Eröffnung der ersten Eislaufbahnen Ende November steht der Feierlichkeit nichts im Wege. Moskau strahlt mit geschmückten Tannenbäumen und Lichterketten – ein Besuch von Tschaikowskys Nussknacker in einem der zahlreichen Theater oder das Bestaunen der Kreml-Tanne darf natürlich nicht fehlen. Für den einen mag es kitschig sein, für den anderen ist es purer Festtagsgenuss. Begleitet wird das ganze Ereignis stets von den beliebten Figuren Väterchen Frost und seiner Enkelin Snegurotschka. Sie sind auf den Straßen der Innenstadt anzutreffen oder auch im Einkaufszentrum. Jedes Jahr zu Silvester werden sie mit größter Vorfreude von den russischen Kindern erwartet – denn die beiden sind es, die ihnen Geschenke bringen
Wie sieht ein typischer Silvestertag in Moskau aus?
Der Jahreswechsel ist ein Feiertag, der gern familiär oder mit Freunden im eigenen Heim begangen wird. Dabei wird bekanntermaßen ein kulinarischer Fokus gesetzt – denn ein Salat Olivier und Hering im Pelzmantel (seljodka pod shuboj) sind unabdingbar um das neue Jahr einzuläuten und als Geschenke werden sehr gerne Spirituosen, Konfekt oder Delikatessen gegeben. Ähnlich wie hierzulande „Dinner for One“ ein Klassiker zum letzten Tag des Jahres ist, wird in Russland „Ironija Sudby“, also „Ironie des Schicksals“ gezeigt, ein sowjetischer Film aus dem Jahre 1975. Kurz vor Mitternacht hält der Präsident seine Neujahrsansprache, die im Fernsehen zu verfolgen ist.
Das bedeutet jedoch nicht, dass das Fest auf die häusliche Umgebung beschränkt ist. Überall in der russischen Hauptstadt werden Neujahrsfeiern veranstaltet und viele Moskauer und angereiste Touristen werden sich am Abend auf dem Roten Platz zusammenfinden. Da die Zugänge schon lange vor Mitternacht großräumig abgesperrt werden, versammelt sich eine Mehrheit bereits sehr früh, um sich die besten Plätze für das Feuerwerk zu sichern. Das lange Warten in der russischen Kälte wird erleichtert durch die vielen Stände des Weihnachtsmarktes, die für heißen Trank, Speise und Stimmung sorgen. Mit in gesüßter Kondensmilch getränkten Blini – den russischen Pfannkuchen – und Glühwein im Bauch geht das besonders gut. Gekrönt wird das Neujahrsfest mit einem Feuerwerk hinter der wunderschönen Kulisse der Basilius-Kathedrale.
Was macht Silvester in Moskau so besonders?
Wahrscheinlich gibt es viele Antworten auf diese Frage. Die Leidenschaft zu diesem Feiertag macht sich bereits beim bloßen Schlendern durch die Straßen bemerkbar, und das nicht nur wegen der extravaganten Beleuchtungen. Fremde wünschen einander einen guten Rutsch, man erkundigt sich nach der Stimmung oder nach den Plänen das neue Jahr zu begrüßen. Eine Millionenmetropole wie Moskau, die gerade noch laut, überwältigend und von weltstädtischer Anonymität erfasst ist, wird plötzlich persönlich, einladend und unbeschwert.
So wie das neue Jahr beginnt, so wird es auch fortlaufen. Unter diesem Motto wird der letzte Tag des Jahres begangen und nach den eigenen Traditionen gestaltet. Ob im eigens geschmückten Zuhause oder im Moskauer Nachtleben – einheitlich ist der Abschluss des Jahres nicht. Lieber pompös und laut? Oder doch ein letztes Mal in die Banja und mit gereinigtem Körper und Geist das Neujahr grüßen?
Das Hochhalten der Traditionen und eine Prise Aberglaube machen es einem leicht, sich von der Begeisterung mitreißen zu lassen. Wie manch eine Familie hierzulande ihre Geschicke in gegossenem Blei zu lesen versucht, setzen die Russen darauf, einen Zettel mit einem Wunsch zu beschriften, ihn zu verbrennen und als Glückscocktail um Mitternacht im Sektglas aufzulösen.
Traditionen bringen Menschen zusammen und formen die eigene Identität. Dabei müssen es nicht einmal altbewährte sein. Moskaus alljährlich zur Winterzeit stattfindende Festival „Reise in die Weihnacht“ (Puteschestwije v roschdestvo) ist erst seit einigen Jahren etabliert, aber gehört bereits fest zum winterlichen Antlitz der Stadt – und lockt viele Touristen aus aller Welt an. Das Festival sorgt einen ganzen Monat lang für zahlreiche Weihnachtsmärkte, viele interaktive Shows mit Ballett, Theater oder Wintersport und weitere Veranstaltungen.
Wer festlicher Stimmung und des gesamten Festtagsglitzers nicht überdrüssig wird, dem kann man nur ans Herz legen, das neue Jahr einmal in Russland und vor allem in Moskau zu begrüßen.