Ein Austausch-Monat in Baschkortostan
Ein Austausch-Monat in Baschkortostan
29. September 2017, von Viktoria Gonschorek.
Baschkortostan – eine Republik in Russland am Rande des Urals. Wir stellen euch das Land und seine Leute ausführlich vor. Die Hauptstadt Ufa ist bereits seit über 50 Jahren mit Halle in Deutschland verbunden. Dieses Jahr feiert der Verein der Freunde Baschkortostans aus Halle sein 20-jähriges Jubiläum. Er ermöglicht jedes Jahr je 15 deutschen und russischen jungen Menschen den Austausch. Dazu zählt auch Nils Winkhoff (28), angehender Apotheker. 2014 reiste er im Rahmen des Austausches nach Baschkortostan und setzt sich seitdem im Verein ein. Mittlerweile ist er Vorstandsmitglied bei «Freunde Baschkortostans e.V.» und will mit seiner Arbeit anderen Jugendlichen den Austausch ermöglichen und sie für das Projekt begeistern. Für Kulturportal erzählt er im Interview von seinen Erfahrungen in Baschkortostan und dem Austauschprojekt des Vereins.
Kulturportal Russland: Du warst mittlerweile dreimal für längere Zeit in Baschkortostan. Vielen Menschen sagt diese Republik innerhalb Russlands wahrscheinlich erstmal gar nichts. Wie kamst du 2014 überhaupt in Kontakt mit dem Austauschprojekt von «Freunde Baschkortostans e.V. »?
Nils: Ich studierte zu dem Zeitpunkt in Halle Pharmazie und hatte im Sommer 2014 eine längere Phase frei, da ich auf eine Nachprüfung warten musste. In der Zeit wollte ich aber nicht nur rumsitzen, weshalb ich direkt interessiert war, als mich zwei Freunde auf das Austauschprojekt aufmerksam machten. Sie hatten selbst daran teilgenommen und konnten mir das deshalb wärmstens empfehlen.
Die Bewerbungsfrist endete drei Tage später, sodass ich mich kurzentschlossen dafür anmeldete.
Kulturportal Russland: Hattest du denn einen Bezug zu Russland und konntest du die Sprache?
Nils: Eigentlich gar nicht, wahrscheinlich wäre ich auch nie nach Russland gereist. Russisch kann ich von ein paar Brocken abgesehen tatsächlich bis heute nicht. Ich möchte es aber dieses Jahr auf jeden Fall lernen.
Kulturportal Russland: Und das hat in Russland so ganz ohne Sprachkenntnisse funktioniert?
Nils: Das macht die Kommunikation auf jeden Fall sehr spannend (lacht). Aber innerhalb der Austauschgruppe wird man auch nicht allein gelassen; man muss kein Russisch können, um am Austausch teilzunehmen. Es sind immer Dolmetscher dabei.
Kulturportal Russland: Wie genau läuft der zweimonatige Austausch denn ab?
Nils: Die Teilnahme kostet 550 Euro, darin sind Flug, Visum, Versicherung, Essen usw. schon enthalten. Den Schlafplatz organisieren sich die Teilnehmer gegenseitig. Zuerst kommen die russischen Teilnehmer im Juli nach Deutschland. Die Nachfrage auf die Plätze ist in Baschkortostan übrigens enorm: Auf die 15 möglichen Plätze kamen dieses Jahr 180 Bewerber, während wir in Halle froh sind, wenn sich 15 Deutsche melden.
Die Russen verbringen etwa 3,5 Wochen in Halle bzw. «Galle», wie es auf Russisch ausgesprochen wird. Zu den Hauptpunkten des Programms gehören ein Abend der russischen und der deutschen Küche, eine Radtour von Weimar nach Halle und Tagestouren nach Leipzig und Dresden.
Anschließend fahren alle zusammen nach Berlin, besichtigen die Stadt und fliegen von dort mit einem kurzen Zwischenstopp weiter nach Ufa. Erst erkunden die Teilnehmer die Stadt, dann geht es raus in die eindrucksvolle Natur Baschkortostans. Zehn Tage lang sind alle auf einer Paddeltour in der Wildnis unterwegs. Danach fahren die deutschen Gäste mit dem Zug nach Moskau und von da später nach St. Petersburg. Der Austausch wird durch die Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch (DRJA) gefördert und unser Verein beteiligt sich auch an den Kosten. Diese versuchen wir dann zum Beispiel über DURKA, unseren Deutsch-Russischen Kulturabend mit Poetry Slam oder Theaterstücken, wieder einzunehmen.
Kulturportal Russland: Was ist dir bei deinen Besuchen am östlichsten Ende Europas als größter Unterschied zu Deutschland aufgefallen?
Nils: Da fällt mir zuerst das Busfahren ein! Aus Deutschland war ich geregelte Zeiten und Fahrpläne gewöhnt. In Baschkortostan war für mich ganz oft nicht ersichtlich, ob und wo die Busse halten. Auch sonst ist die Qualität der Straßen anders als in Deutschland und die Autofahrer sind dort so unterwegs, dass ich immer sehr dankbar war, nicht Auto fahren zu müssen.
Sehr positiv aufgefallen ist mir die familiäre Stimmung auf Seiten der russischen Teilnehmer in Baschkortostan. Überhaupt ist die Gastfreundschaft überwältigend. Vor allem, wenn wir gesagt haben, dass wir aus Deutschland kommen, war das Interesse groß und die Aufnahme herzlich. Einmal haben ein Freund und ich bei der Paddeltour einen Angler mit seiner Familie getroffen. Er wollte uns nur vor Schlangen in der Gegend warnen, aber wir haben natürlich nichts verstanden. Als wir die Dolmetscherin holten und der Angler erfuhr, dass wir Deutsche sind, hat er uns direkt zum Essen und Wodka mit seiner Familie eingeladen – dazu muss man sagen: Es war elf Uhr morgens! Ein anderes schönes Erlebnis hatte ich bei meinem Winterbesuch in Ufa: Wir haben auf der Straße Silvester gefeiert und sind mit einem Nachbarn ins Gespräch gekommen. Am Ende hat er uns alle – etwa 30 Leute – in sein Wohnzimmer auf ein Glas Champagner hereingebeten. So eine Gastfreundschaft und Offenheit kenne ich in Deutschland nicht.
Kulturportal Russland: Wie würdest du abschließend deine Erlebnisse in Baschkortostan und das Austauschprojekt bewerten?
Nils: Ich bin sehr froh, auf den Verein aufmerksam geworden zu sein und die Reise nach Baschkortostan gemacht zu haben. Durch meine Arbeit im Verein möchte ich nun anderen die Chance geben, ein solches Erlebnis zu haben. Jedes Jahr ist anders und mir ist auch sehr wichtig, dass wir
«Alten», die den Austausch schon mal mitgemacht haben, uns nicht zu sehr einmischen, damit die Teilnehmer ihren Austausch ganz individuell wahrnehmen können. Es ist eine komplett andere Kultur und die Menschen sind sehr herzlich. Auf jeden Fall werde ich noch öfter hinreisen. Ich habe viele Kontakte geknüpft und die Freundschaft zu den russischen Teilnehmern besteht größtenteils bis heute. Am schönsten finde ich, dass du ans andere Ende des Kontinents reisen kannst und wenn du den Menschen dort offen begegnest, werden sie immer freundlich zu dir sein.
Kulturportal Russland bedankt sich für das Interview.