Taxi fahren in Russland
Taxi fahren in Russland
von Anna Luisa Winkelmann
Eines der beliebtesten Fortbewegungsmittel in Russland ist neben dem Trolleybus und der Marschroute (Kleinbusse in denen man dem Fahrer noch zurufen kann, wo er bitte anhalten soll, um auszusteigen) wohl das Taxi. Es lässt sich bequem über die Yandex-App bestellen, mit der Möglichkeit den Abholungsort und und Zielort direkt anzugeben. Es wird auch direkt der Preis angezeigt, meistens sind das umgerechnet 1-2 Euro, selbst für eine Fahrt quer durch die Stadt. Zum Flughafen bezahlt man dann auch mal bei 5-6 Euro.
Bei der Andeutung sich anzuschnallen wird man immer amüsant gemustert und als Ausländerin oder im besten Fall direkt als Deutsche identifiziert, kaum einem russischem Taxifahrer oder auch Fahrgast ist wohl bewusst wofür es diese Gurte gibt. Die dadurch aufkommenden Gespräche sind immer ein tiefer Einblick in die russische Gesellschaft und es lässt sich nicht nur viel über die russische Seele herausfinden, sondern immer auch ein paar neue Worte für den eigenen Wortschatz mitnehmen. Taxifahren ist wohl eine der besten Möglichkeiten in Russland, seine Sprachkenntnisse zu verbessern, wenn man nicht ständig in Bars rumhängt.
Das Taxi ist ein kleiner Kosmos, den man gerne mal unterschätzt. Vor allem wird gerne über Politik diskutiert, aktuell natürlich über Corona und die Pandemie und natürlich über die russische Wirtschaft, aber immer mit einer guten Portion Humor und Sarkasmus. Am Ende der Fahrt kennt man die gesamte Lebensgeschichte des Fahrers, wann sie wo in Deutschland gedient haben oder wer aus der Familie wo in Deutschland lebt und wie gut das Leben in Deutschland bzw. der Deutschen doch sei oder wo sie im früheren Leben gearbeitet haben. Unausweichlich überkommt einem das Gefühl, sich in diesem meist gut riechenden Auto ein Stück wohl zu fühlen. Man kann sich sicher sein, dass der Fahrer noch Schleichwege kennt, um die Staus in der Innenstadt zu umfahren, um noch die Zeitangaben des Navis zu übertreffen.
Manchmal kann so eine Fahrt aber auch zum Abenteuer werden. Ein Blick auf die zerdellten Stoßstangen und Seitentüren macht klar, dass das einer der Fahrer ist, der vor allem Taxi fährt um sich in seiner Männlichkeit zu profilieren. Da man den Fahrer ja nicht wieder weg schicken kann, hat man keine Wahl. Dann heißt es tief durchatmen, festhalten und hoffen, dass man heile ankommt (und dass auch der Magen bis zum Ziel durchhält). Wenn man dann mit hundert Sachen in die Kurven geht, entgegenkommende Autos beim Abbiegen schneiden oder dem Bus die Vorfahrt nimmt um die Grünphase noch zu erwischen, fragt man sich jedes Mal warum man nicht den Bus genommen hat und freut sich insgeheim, dass die Eltern nicht alles über das „wilde“ Russland wissen. Die Fahrer sind aber meist viel zu lässig, um sich die Kontrolle über ihre Straßen und vor allem über ihren Wagen nehmen zu lassen und man kommt zumindest immer an seinem Ziel an. Oft werden diese Fahrten mit lauten Bässen des neusten russischen Techno aus dem Radio begleitet oder es bietet sich die Gelegenheit sich mal wieder auf den neuesten Stand russischer Pop-Musik zu bringen.
Die Mehrzahl der Taxifahrer ist sehr freundlich, zu jeder Tages- und Nachtzeit zum Gespräch aufgelegt, hilft dabei das Gepäck einladen und freut sich immer über einen interessierten Fahrgast und dann noch jemand aus dem Ausland der Russisch spricht! Jedes Mal öffnet sich ein Stück russische Welt und auch die Sammlung der Visitenkarten erweitert sich, obwohl man die netten Herren danach nie wieder sehen wird.
Es lohnt sich, auch als Tourist mal eine Fahrt mit einem Taxi zu unternehmen. Ich kann versichern, dass der Fahrer versuchen wird, mit jeglichen Kenntnissen des Englischen oder sogar mit Bruchstücken auf Deutsch eine Konversation zu starten – und sei es mit Händen und Füßen, man schafft es ja doch sich irgendwie miteinander zu verständigen und sich auszutauschen.