Die Welt vermischen
Die Welt vermischen
22. April 2017, von Alexandra Frank
Der Beat der Musik hallt in den gewölbten Backsteinmauern. Die Menge springt. Über die Fensterfront schweift der Blick über die Spree und die vorüberziehenden Boote. Wir befinden uns im Hangar 49, einem Club in Berlin Mitte. Bunte Scheinwerfer erhellen die Bühne, auf der die sieben Musiker von MirMix Orkeztan gerade eines ihrer tanzbaren Stücke spielen. Sie singen auf Russisch, Deutsch, Serbisch oder auch mal Kirgisisch. Wie die Band selbst von sich sagt, ist musikalisch bei ihnen zwischen «Gossenbeats und jazziger Geschmeidigkeit» einiges möglich. Die Mitglieder der Band ergeben einen Mix der Völker aus Westeuropa, dem postsowjetischen Raum und dem Nahen Osten. Und das spiegeln sie auch in ihrer Musik wieder. Der Bandname ist Programm – «Mir» bedeutet im Russischen sowohl Welt als auch Frieden. «Wir wollen Frieden. Und wir wollen die Welt vermischen», erklärt Frontmann Pascha Interpaul, der die Band 2010 gründete.
Paul, der bei MirMix Orkeztan singt, beatboxt und Akustikgitarre spielt, ist Russlanddeutscher aus dem heutigen Kirgistan. Seine Familie zog Anfang der 90er Jahre nach Deutschland. Eugen, der E-Gitarre und Baritonsaxophon spielt, und Andrej, der Bassist, kommen aus Kasachstan. Andrej am Sopransaxophon stammt aus Weißrussland. Sie ergeben die vier «Russen» der Band. Der Mix wird ergänzt durch Gal, der aus Israel stammt und durch die beiden Deutschen Yannick und Moritz. «Nur vier von uns sprechen Russisch. Manchmal weiß ich auch gar nicht, was wir da singen. Aber es flowt gut – das ist das Wichtigste», witzelt Gal, der das Tenorsaxophon spielt. Yannick trompetet und Moritz, der eigentlich Klavierlehrer ist, übernimmt das Schlagzeug.
Das Publikum, das sich in der kühlen Aprilnacht im Hangar49 versammelt hat, um den Jungs von MirMix Orkeztan zu lauschen, ist eine Mischung aus Jung und Alt, Mann und Frau, Tänzern und «Rumstehern». «Ich war zuletzt auf ´ner Jam Session hier im Hangar. Da hat mich Paul angequatscht und zur Show eingeladen. Endlich hab‘ ich es hergeschafft – und es gefällt mir super!», erzählt eine junge Frau im Publikum. Die Menge bewegt sich im Beat der Musik – alle tanzen, keiner hält die Füße still. «Eigentlich stamme ich aus der Türkei. Mittlerweile lebe ich in Berlin und betreibe eine Galerie», sagt ein anderer Besucher des Konzertes. Nicht jeder Zuschauer hier im Hangar 49 hat einen Bezug zum Osten. Das Projekt «MirMix» scheint geglückt – verschiedenste Menschen der Welt treffen oder wie Pascha Interpaul sagen würde «vermischen» sich und feiern zur Musik.
Die Marke «MirMix» steht aber nicht nur für die Band, sondern für eine Partyreihe, die 2006 in Karlsruhe, wo Paul damals lebte, begann. Diese nahm er mit nach Berlin. Seit 2009 heizen verschiedenste lokale und internationale Bands dem Publikum im Hangar 49 ein. 2010 erhielt die Partyreihe ihr eigenes «Orkeztan» mit der Gründung der Band. Die Besetzung von «MirMix Orkeztan» ist genauso wechslungsreich, wie ihre musikalischen Stile. Seit 2015 spielen sie in derzeitiger Besetzung. Von Schlagzeug über Beat Box und E-Gitarre bis hin zum Saxophon haben die Jungs alles im Repertoire. Kennengelernt haben sie sich auf unterschiedlichen Wegen. Einige von ihnen pflegen bereits seit Jugendjahren eine Freundschaft, andere haben sich auf Jam Sessions kennengelernt. Einmal hat die Band eine Anzeige geschaltet, auf der Suche nach Musikern. Daraufhin meldete sich Gal und ist seitdem fester Bestandteil der Band.
Aber MirMix Orkeztan holen nicht nur die Welt nach Berlin, sie bereisen sie auch selbst. Im letzten Jahr machte die Band mit Unterstützung des Goethe-Instituts eine 11-tägige Tournee durch Russland – von Jekaterinburg über Perm, Nishnij Nowgorod, St. Petersburg und Moskau. «In Nishnij Nowgorod bekamen wir nach der Show einen Zettel zugesteckt. In gebrochenem Deutsch kam die etwas enttäuschte Aussage, dass wohl einige Zuschauer eine «deutschere» Band erwartet haben«, schmunzelt Moritz. «Alles in Allem war die Tour jedoch ein voller Erfolg und eine unvergessliche Erfahrung».
Nach ihren zwei EPs «Mugamanta» (2013) und «Bazary Live» (2014) arbeiten die sieben Wahl-Berliner derzeit im «Wolvesinsound» Studio an ihrem ersten Album. «Dieses Album wird der ultimative Mix! Wir nehmen traditionelle Lieder und interpretieren sie neu», erklärt Paul. Gesungen wird mittlerweile auch auf acht verschiedenen Sprachen – von Deutsch, Russisch, Kirgisisch bis Serbisch haben sie alles im Repertoire. Ihr Lieber handeln von der Liebe, dem Alltäglichen und Traditionellem. Eben davon, was die Welt und ihre Völker verbindet. Das erste Album von MirMix Orkeztan soll noch dieses Jahr erscheinen.
Hört hier das Lied «Belgrad» von MirMix Orkeztan.