Akademgorodok – Ein besonderer Ort für die Russische Wissenschaft
Akademgorodok – Ein besonderer Ort für die Russische Wissenschaft
Eine Reportage
10. September 2019, von Nadja Filina.
Der Sibirischer Wald – unendliche Weiten – ein echter Naturschatz – von ihm umarmt liegt Akademgorodok – der grünste Stadtteil von der Stadt Nowosibirsk am Ob-Stausee im Süden Sibiriens. Mit seiner Einwohnerzahl von mehr als 50 Tausend Einwohnern und seinem einzigartigen Charme, könnte Akademgorodok schon längst als eigene Stadt gelten. Dennoch ist es ein Teil von Nowosibirsk, der aber auf gute 25 km Entfernung vom Stadtzentrum liegt und seinen Einwohner Ruhe und Sorglosigkeit einer Kleinstadt anbietet.
Aber die grüne Umgebung und die saubere Luft sind nicht alles, was Akademgorodok so besonders macht. Der Stadtteil hat einen guten Ruf für seine besonderen Forschungsleistungen und wird manchmal mit dem amerikanischen „Silicon Valley“ verglichen. Wie ist es dazu gekommen, dass solch ein weit entferntes Gebiet in Sibirien die neuste wissenschaftliche Technologien etabliert und zur Entwicklung der Wissenschaft nicht nur in Russland, sondern auch in der ganzen Welt beiträgt?
Der Aufstieg Akademgorodoks ist dem Sowjetischen Physiker und Mathematiker – Mikhail Lawrentjew zu danken. Auf seine Initiative hin wurde im Jahr 1957 Akademgorodok gegründet, das danach zur sibirischen Repräsentanz der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften wurde. Dank des den Stadtteil umgebenden Waldes könnten Wissenschaftler und Forscher ihrer Arbeit ungestört nachgehen. Bis heute sind in Akademgorodok rund 40 wissenschaftlichen Institutionen und Einrichtungen tätig, die die Forschungstradition aus der Sowjetzeit fortsetzen. Manche tragen bis heute die Namen der weltberühmten Akademiker, die diese Institutionen entweder gegründet oder zu ihren Leistungen aktiv beigetragen haben. So z.B. das Budker-Institut für Kernphysik oder das Sobolew-Institut für Mathematik. In den vergangenen 5 Jahren entwickelte sich Akademgorodok auch als attraktiver Ort für die Kleinunternehmen – so genannte Start-Ups. Der „Technopark“ – Technologie-Gebiet wo die meisten Kleineunternehmen aber auch die Repräsentanzen von Großunternehmen wie Intel, Schlumberger und Yandex ansässig sind, lockt nicht nur Arbeits- und Führungskräfte vor Ort, sondern auch Spezialisten aus anderen Regionen.
Der Hauptlieferant der jungen Forscher und Start-Up-Genies ist die Staatliche Universität Nowosibirsk – die größte von mehr als 20 Hochschulen in Nowosibirsk und – laut mehreren Exzellenzstudien – eine der besten in Russland. Nicht umsonst liegt diese Universität nicht im Stadtzentrum, sondern in Akademgorodok. Studierenden profitieren von dieser Lage – bereits während ihres Studiums haben sie die Möglichkeit bei den in Akademgorodok ansässigen Forschungsinstitutionen zu arbeiten und ihre theoretischen Kenntnisse gleich in der Praxis anzuwenden. Wie zum Beispiel Anna. Die 23-jährige Chemikerin hatte seit ihrem ersten Studienjahr eine Möglichkeit das Forschung in Akademgorodok zu erleben. Am Anfang hat sie ihre Forschungsarbeiten an dem Institut der Anorganischen Chemie geschrieben. Danach konnte sie gleichzeitig bei diesem Institut arbeiten um ihre neuen Erfindungen in ihrer Masterarbeit einzubeziehen. „Ich fand die praktische Erfahrung an dem Forschungsinstitut während des Studiums sehr bereichernd. Das wichtigste ist, dass Studenten nicht nur assistieren, sondern bereits ihre eigene Forschung führen dürfen“, so Anna. Viele bleiben dann nach ihrem Abschluss in Akademgorodok und treiben die Wissenschaft voran. So wie Ivan, der 24-jähriger Geochemiker. Genauso wie Anna, hat er schon während des Studiums am Forschungsinstitut gearbeitet und erforscht nach seinem Abschluss Mechanismen der Formation von Palladium und Nickel im Gebiet bei Norilsk. Laut Ivan, hat Akademgorodok eine besondere Arbeitsatmosphäre und Infrastruktur die zu den komfortablen Arbeitsbedingungen und Lebensqualität beiträgt.
Die Entfernung vom Stadtzentrum, und teilweise sogar die Isolation dieses Stadtteils bietet einige Vorteile: dieser Ort ist wie eine Insel der Wissenschaft in der Großstadt, aber auch, dank des Uni-Campus, ein Ort mit der hohen Jugendanteil. Junge Leute bringen die Energie und sorgen für einen besonderen „Vibe“. Von Unterhaltungsmöglichkeiten wie z.b. Museen, Konzerthäuser, Kinos oder Einkaufszentren kann Akademgorodok aufgrund seiner Lage und noch relativ kurze Geschichte leider nicht besonders viel anbieten. Daher organisieren die jungen Leute sich selbst in Musikgruppen, gründen Sportvereine oder Interessengemeinschaften, die (und es ist nicht zu verwundern) verschiedenen wissenschaftlichen Themen gewidmet sind. So z.B. setzt der Interessenklub „Unter dem Integral“ die sowjetische Tradition seit seiner Gründung im Jahr 1968 fort. Damals trafen sich Wissenschaftler in Akademgorodok um unterschiedliche Themenbereichen der Gesellschaft, Kultur und natürlich Wissenschaft in einer lockeren Atmosphäre zu besprechen. Es gab unter anderem auch Tans- Gesang- und Literaturklubs. „Unter dem Integral“ wurde in den 2010-n wiedereröffnet.
Mit dem Zuzug innovativen Unternehmen blüht das Leben in Akademgorodok weiter auf. Der Stadtteil wird immer moderner und damit attraktiver für junge Leute und Familien mit Kindern. Das merken nicht nur diejenigen die in der IT-Branche oder in Forschung tätig sind, sondern auch alle Bewohner. Es werden immer mehr kleine gemütliche Kaffes eröffnet und Sportklubs organisieren im Sommer kostenlose Kurse an der frischen Luft. Lokale Tanz- und Musikschulen führen regelmäßig Workshops oder Festivals durch. Am Campus der Staatlichen Universität Nowosibirsk ist auch immer was los – das Studium an dieser Universität galt nie als leichte Zeit, trotzdem finden die Studierende Zeit um ihr studentisches Leben zu genießen. Und das zurecht: sobald man aus dem Unigebäude oder seinem Büro rauskommt kommt man direkt in die schöne Natur. Das charakterisiert Akademgorodok am besten: Hohe akademische Leistungen in der Atmosphäre der Ruhe und Sorglosigkeit der sibirischen Natur.