»FMD – Leben und Werk von Dostojewski«
Buchrezension: »FMD – Leben und Werk von Dostojewski«
6. März 2017, von Alexandra Frank
»(…) Der Mensch ist ein Geheimnis. Man muss es enträtseln, und wenn du es ein ganzes Leben enträtseln willst, so sage nicht, du hättest Zeit verschwendet. Ich beschäftige mich mit diesem Geheimnis, denn ich will ein Mensch sein.«
Dieser Gedanke war wohl der Leitfaden, der Dostojewksi sein Leben lang beschäftigte und ihm zum Schaffen seiner berühmten Meistwerke wie »Der Idiot« oder »Die Brüder Karamasow« brachte. Berühmtheit genoss Dostojewski, dessen Werk heute zur Weltliteratur zählt, schon zu Lebzeiten (1821-1888). Doch wer war eigentlich der Mensch Fjodor Michailowitsch Dostojewksi? Die Graphic Novel »FMD – Leben und Werk von Dostojewksi« von Vitali Konstantinov ist eine etwas andere Biografie. Anstelle eines 500-seitigen Wälzers erhält der Leser 53 Bilderseiten, die sowohl das Leben, als auch die Werke des Schriftstellers kombiniert darstellen. Hierfür bedient sich der deutsche Illustrator mit ukrainischen Wurzeln der Methode des Simultancomics: Durch die komplexe ineinander überlaufende Anordnung der Bilder erfasst er nicht nur Details und Stationen aus dem Leben Dostojewskis, sondern lässt auch Elemente aus seinem Werk hineinfließen. Von der Geburt des Schriftstellers bis zu seinem Tod erfährt der Leser welche äußeren Einflüsse auf Dostojewksi wirkten. Der Leser erlebt seine Entwicklung vom jugendlichen Oppositionellen, der als Mitglied der revolutionären Gruppe »Petraschewzen« gegen den zaristischen Despotismus und die Leibeigenschaft auftrat und nach einer Verurtleiung nur knapp dem Tode entkam, zum glühenden Patrioten, der vor allem Anerkennung unter den Adeligen der alten Ordnung Russlands genoss.
Mit eigenen Übersetzungen von Briefen, Tagebüchern und andere Dokumenten von und über Dostojewski, gibt Konstantinov einen umfangreichen Einblick in Leben und Wirken des Schriftstellers. Teilweise verstörende Bilder platziert neben kurzen Aussagen und Gedanken Dostojewskis, ergeben eine Synthese der Schlüsselmomente seines Lebens. Hier erlebt der Leser zum Beispiel wie er als junger Mann auf Wunsch seines Vaters gezwungen wird die ihm verhasste Militärakademie zu besuchen. Dabei wollte er sich sich eigentlich dem geistigen Studium widmen. Weiter setzt Konstantinov in zeichnerischer Genauigkeit die wohl wichtigste Episode Dostojewskis Lebens um: Als verurteilter Revolutionär wird er zum Schafott gebracht und entkommt nur im letzten Moment dem Tode durch eine Begnadigung des Zaren. Dieses Erlebnis wird zu einem wiederkehrenden Motiv in seinen Romanen, wie zum Beispiel in »Der Idiot«. Realität und Fiktion verflechten sich: sowohl in Dostojewskis Werken, als auch in der Comic-Biografie.
Doch nicht nur Dostojewski selbst erwacht in dem Comic zum Leben, auch seine Romanfiguren, wie zum Beispiel Raskolnikow, der tragische Antiheld des Werkes »Schuld und Sühne« (in neuerer Übersetzung auch »Verbrechen und Strafe«). Konstantinov illustriert Raskolnikows Überzeugung von moralischer Überlegenheit, die ihn zum Morden trieb, das Leid der Gesellschaft, die Überführung des Mörders, seine Reue und schließlich seine gerechte Strafe. Vor allem aber zeigt die bildliche Darstellung die moralischen Abgründe, die dem Werk seine Relevanz einbrachten. Auch die für Dostojewskis Werk bekannte düstere Stimmung wird durch die Schwarz-Weiß Zeichnungen für den Leser greifbar gemacht.
Für Dostojewski-Kenner und -liebhaber ist das Buch spannend, denn es eröffnet eine ungewöhnliche Perspektive auf Leben und Schaffen des Dichters und zeichnet ihn als Menschen. Aber auch Nichtkennern gibt das Buch einen unterhaltsamen ersten Einblick in die Gedankenwelt Dostojewskis. Etwas Vorwissen sollte hingegen vorhanden sein, um alle Bilder und Texte im historischen Kontext zu verstehen. »FMD – Leben und Werk von Dostojewski«, erschienen im Knesebeck Verlag, liefert auf 64 Seiten nicht nur literarisches sondern vor allem visuelles Vergnügen.
Erhältlich im Knesebeck Verlag für 22 EUR.