Der deutsch-russische Freundschaftsverein Freunde Baschkortostans im Portrait
Spätestens seit dem 24. Februar 2022 stehen deutsch-russische Vereine und Organisationen vor der Frage: wie soll es weitergehen? Auch der Verein Freunde Baschkortostans e.V., dem noch im vergangenen Jahr den Preis der “Reiner Rabe Stiftung – Stiftung zur Förderung der Verständigung zwischen Deutschland und Russland“ für besonderes Engagement in den deutsch-russischen Beziehungen verliehen wurde, steht vor der Herausforderung, wie die Zusammenarbeit zwischen Halle und dessen russischen Partnerstadt Ufa weitergehen kann. Der Verein setzt sich aus sieben gewählten Vorstandsmitgliedern sowie aktiven Mitgliedern, die an der Umsetzung der Vereinsarbeit mitwirken, zusammen.
Kulturportal hat mit einem der Vorstandsmitglieder, David Horn, über die derzeitigen Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit und der Wichtigkeit an Städtepartnerschaften gesprochen.
Wie lange engagieren Sie sich schon für den Verein Freunde Baschkortostans e.V.?
Ich habe im Sommer 2017 am siebenwöchigen Jugendaustausch „Banja“ Halle-Ufa teilgenommen, das ist das jährliche Hauptprojekt des Vereins. Danach bin ich dem Verein beigetreten, weil ich über den Jugendaustausch wunderbare Menschen in Baschkortostan wie auch in Halle (Saale) kennenlernen durfte, mit denen ich – über die Freundschaft hinaus – auch weitere Projekte organisieren wollte. Der Jugendaustausch fand pandemiebedingt das letzte Mal im Jahr 2019 statt.
Welche Projekte sind essentiell für den Verein?
Der Jugendaustausch „Banja“ Halle-Ufa ist das Hauptprojekt des Vereins. Daneben sind wir Spielplatzpaten in Halle (Saale), tatsächlich sogar die ersten überhaupt in der Stadt, nachdem solche Patenschaften vor 13 Jahren eingeführt wurden. Mittlerweile gibt es über 25 Spielplatzpaten in der Stadt. “Unser” Spielplatz ist der Baschkirische Spielplatz auf der Peißnitzinsel, mitten im grünen Saaletal neben dem historischen Peißnitzhaus mit der Parkeisenbahn Peißnitzexpress Halle (Saale) gelegen. Neben diesen beiden Projekten organisieren wir mindestens jährlich einen Neujahrsempfang (pandemiebedingt dieses Jahr wohl ein Jahresempfang im November – anlässlich des 25. Jubiläums unseres Vereins und der Städtepartnerschaft), einen deutsch-russischen Kulturabend, einen deutsch-russischen Kochabend, baschkirische Tanzworkshops sowie Vereinstreffen mit Ehemaligen und auch Nicht-Mitgliedern zum gemeinsamen Grillen, Kochen oder direkt zu mehrtägigen Fahrradtouren durch die Region. Einige Formate haben sich durch die Pandemie online erhalten oder sind neu dazugekommen, auch da der Jugendaustausch vorläufig leider nicht mehr stattfinden kann.
Was macht die Arbeit für den Verein derzeit schwierig?
Der russische Angriffskrieg bzw. russische Überfall auf die Ukraine von 2022 hat dazu geführt, dass wir als Verein erstmal eine Pause einlegen und überlegen mussten bzw. Müssen, wie wir ganz individuell und auch als Verein mit dieser Situation umgehen. In erster Linie haben wir enge Freunde in Russland – einige auch in der Ukraine – und um die machen wir uns Sorgen. Die Vereinsarbeit soll jetzt allerdings im Sommer wieder starten, die Vorbereitungen laufen. Im Sommer wollen wir uns bspw. drei Tage lang auf der städtischen Vereinshütte auf dem Marktplatz Halle (Saale) präsentieren und mit den Leuten ins Gespräch kommen. Zudem soll es im Sommer ein Spielplatzfest mit Partnerorganisationen auf und am Baschkirischen Spielplatz geben. Für November planen wir einzelne Veranstaltungen im Rahmen des Vereins- und Städtepartnerschaftsjubiläums. Unabhängig davon müssen immer Maßnahmen eingehalten werden, die durch die Pandemie notwendig geworden sind, was wir auch auf den wenigen Präsenzveranstaltungen ohne Frage umsetzen können. Ganz bezeichnend für unsere Arbeit ist, dass wir unsere Partner und Freunde auf Grund der Pandemie praktisch seit Jahren nicht mehr in Präsenz sehen konnten. Unsere Vereinsarbeit setzt also Veranstaltungen um, bei denen der direkte Kontakt nur sehr begrenzt möglich ist. Um überhaupt einen Kontakt mit unseren Partnern herzustellen, setzen wir auf Online-Veranstaltungen. Abschließend diskutiert natürlich die Stadt Halle (Saale) aktuell über die Städtepartnerschaft Halle-Ufa und findet eventuell Ende Mai einen vorläufigen Abschluss. Wir begleiten diesen Prozess sehr gespannt und sind gegenüber der Stadt und den Ratsfraktionen gesprächsbereit. Leider sind unserem erfolgten Gesprächsangebot bzw. dem Angebot zu einem gemeinsamen Austausch zu der Thematik bisher nur wenige gefolgt. Aber selbst vor dem Krieg in der Ukraine gab es Finanzierungsprobleme bei einzelnen Vereinsprojekten, da die Stadt Halle (Saale) häufig Haushaltssperre verhängt hat und uns damit nur relativ selten unterstützen kann und konnte. Unsere Vereinsarbeit, und damit sicherlich auch die Städtepartnerschaft, würde also anders ausgedrückt einen regelrechten Quantensprung machen wenn z.B. 1. Russland unverzüglich den Krieg gegen die Ukraine beendet und sich zurückzieht, 2. russische Staatsbürger überhaupt bzw. regulär ausreisen lässt – wie es zumindest vor der Pandemie der Fall war, 3. Stadtverwaltung und Ratsfraktionen sich stärker mit dem Thema auseinandersetzen wie Städtepartnerschaften allgemein und auch finanziell unterstützt sowie die Zivilgesellschaft besser eingebunden werden kann und 4. die Kommunalfinanzen durch den Bund verbessert werden.
Können Sie derzeit überhaupt Kontakt zu Ihren russischen Partnern halten?
Nein. Keine offiziellen Kontakte.
Warum ist es für den Verein so wichtig, die Städtepartnerschaft zwischen Halle und Ufa aufrechtzuerhalten?
Die Städtepartnerschaft Halle-Ufa stammt aus den 60er-Jahren, damals noch in Form einer Partnerschaft zwischen dem Bezirk Halle in der damaligen DDR und der Baschkirischen ASSR in der Sowjetunion. Unsere heutige Arbeit fußt also auf partnerschaftlichen Beziehungen zwischen dem heutigen südlichen Sachsen-Anhalt mit Halle (Saale) und der Republik Baschkortostan, die circa 60 Jahre alt sind. Wenn man so will, ist die Städtepartnerschaft Halle-Ufa damit die längste andauernde (Städte-) Partnerschaft der Stadt Halle (Saale) und wurde auch nicht durch den Fall des Eisernen Vorhangs unterbrochen. Auch nach 1989/90 gab es regelmäßigen und intensiven Austausch, damals ausreichend gefördert bspw. durch den Studierendenrat der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Die Partnerschaft wurde schließlich im Jahr 1997 zwischen Halle und Ufa mit den Städtepartnerschaftsvertrag zwischen den beiden Städten neu begründet sowie auch im gleichen Jahr die zu dem Zeitpunkt notwendige Vereinsgründung unseres Vereins. Der Verein hängt also unmittelbar mit der Städtepartnerschaft zusammen und lebt regelrecht von ihr. Zudem vereint der Verein unzählige individuelle Gründe für die Städtepartnerschaft zwischen Halle und Ufa. Die Teilnehmer des Jugendaustauschs und damit auch unsere Vereinsmitglieder haben zwischenmenschliche Beziehungen, einige sicher lebenslange Freunde oder sogar ihren Partner oder Partnerin durch die gemeinsame Zeit kennengelernt, was m. E. wahrscheinlich der Hauptgrund ist, weswegen wir uns hier beständig und trotzdem leidenschaftlich für diese Partnerschaft einsetzen. Wir wollen unsere Erfahrungen unbedingt an die nachkommenden Generationen weitergeben.
Wünschen Sie sich eine Wiederaufnahme der Zusammenarbeit zwischen den Städten und der Zivilgesellschaft, nachdem der Krieg beendet wurde?
Ja unbedingt. Dafür werden wir uns auch selbst einsetzen. Wir wollen nach dem Krieg wieder „frei“ nach Ufa reisen können und auch unsere baschkirischen Freunde in Sachsen-Anhalt endlich wieder begrüßen. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit zwischen den beiden Stadtverwaltungen. Städtepartnerschaften leben zwar von der Zivilgesellschaft und von persönlichen Kontakten, aber ganz ohne Engagement der Kommune geht es dann doch nicht. Wir hoffen, dass dies die Umstände bald wieder zulassen und sind bis dahin und darüber hinaus für jedes Gesprächsangebot sowie Kooperation auch erreichbar und potenziell interessiert.
Meinen Sie, der Verein Freunde Baschkortostans kann zur anschließenden Friedensarbeit beitragen?
Die Frage ist tatsächlich sehr gut und interessant. Das müsste man sich konkret im Detail anschauen, wenn es dann endlich so weit ist. Wir sind auf jeden Fall dafür offen, für Kooperationen mit Organisationen, die sich im Bereich der Friedensarbeit und auch im Bereich Osteuropa engagieren. Ein langjähriger Partner von uns vor Ort in Halle ist bspw. der Friedenskreis Halle e.V., der unglaublich viel in Stadt und Region bewegt. Falls wir Expertise in diesem Bereich benötigen, können wir hier sicher auf die Unterstützung unserer Partner vertrauen.
Würden Sie die deutsch-russische Partnerschaft auch für ukrainische Organisationen öffnen, um einen Dialog zu ermöglichen?
Unbedingt, keine Frage, der Gedanke kam uns auch schon. An unterschiedlichen Stellen ist die Idee bis dato allerdings noch nicht ausgereift. Im Stadtrat wurde auch schon eine Städtepartnerschaft mit einer ukrainischen Stadt (natürlich nach dem Krieg) angeregt sowie in den vergangenen Jahren mit einer Stadt in Israel (noch ausstehend). Solche Schritte begrüßen wir, in der Hoffnung, dass sich darüber auch die Zivilgesellschaften verbinden und zusammenarbeiten können und an geeigneter Stelle auch Unterstützung von der Kommune erfährt. Wir selbst bleiben an dem Gedanken dran und wollen bei passender Gelegenheit natürlich auch mit (deutsch-) ukrainischen Organisationen zusammenarbeiten. Seit dem Russisch-Ukrainischen Krieg 2014 und auch verstärkt seit meiner Teilnahme am Jugendaustausch und folgendem Beitritt und Engagement bei den Freunden Baschkortostans e.V. ab 2017 habe ich mich sehr intensiv mit Osteuropa bzw. Ostmitteleuropa auseinandergesetzt und auch an verschiedenen (Austausch-) Formaten (teilweise für die Freunde Baschkortostans e.V.) teilgenommen die auch, aber eben nicht nur, deutsch-russische Beziehungen thematisieren. So war ich zuletzt im November 2021 Teilnehmer beim Twin City Lab BarCamp in Tiflis in Georgien, wo engagierte Personen aus Belarus, Deutschland, Russland, der Ukraine sowie Georgien zusammengebracht wurden.