Die Ermordung der Romanows- die letzte Zarenfamilie des Russischen Reiches
Die Ermordung der Romanows- die letzte Zarenfamilie des Russischen Reiches
von Anna Luisa Winkelmann
Am 16. Juli 1918 wurde der Mord an der letzten Zarenfamilie Russlands, den Romanows, begangen. Nachdem die Zarenfamilie am 9. März zunächst unter Hausarrest im Alexanderpalast gestellt wurde, folgte kurz darauf die Verbannung nach Sibirien und wenig später eine blutige Ermordung durch die Bolschewiki.
Dieses Ereignis stellt einen bezeichnenden Wendepunkt in der russischen Geschichte dar und wird bis heute in der russischen Gesellschaft und der Geschichtswissenschaft kontrovers diskutiert. Für die einen war er Feind des russischen Fortschritts und konservativer Herrscher, für die anderen ein Heiliger und Sinnbild einer Vergangenheit, die es in Russland schon lange nicht mehr gibt.
Zar Nikolaus II. wurde 1896 bereits mit 26 Jahren zum Zaren gekrönt, nachdem sein Vater, Zar Alexander III., unerwartet an einer tödlichen Krankheit verstarb. Abgeschottet von der Außenwelt und wenig unterrichtet in der Politik seines Vaters, war der junge Nikolaus nicht vorbereitet auf die Rolle des Kaisers. Die Krönungsfeierlichkeiten, die auf einem Feld Nahe Moskaus stattfanden, zu denen hunderttausende Bauern aus der Umgebung und von weit her kamen, endeten in einer Massenpanik mit über tausend Toten, weil das Feld nicht für die Massen ausgelegt war. Das stellte kein kein gutes Omen für den Beginn der Herrschaft des Zaren dar.
Kurz nach dem Tod Alexander III. war es eine Notwendigkeit für den neuen Monarchen zu heiraten. Nikolaus nahm die deutsche großherzogliche Prinzessin Alix von Hessen-Darmstadt zur Frau, die die Schwester seiner Schwägerin war.
Das junge Paar war eng mit der orthodoxen Kirche verbunden und für den Zaren galt die konservative Auffassung des Gottgnadentums, was bedeutete, dass er selbst von Gott zum Zaren über Russland auserwählt wurde, um wie seine Vorfahren, als autokratischer Herrscher zu regieren.
Nikolaus war bekannt für seine kompromisslose Unterdrückungspolitik gegen Bestrebungen der nationalen Minderheiten. Er wollte verhindern, dass diese sich selbst verwalteten. Auch die streng gläubige Zarin soll ihren Mann abgehalten haben, Schritte in Richtung Modernisierung oder konstitutive Monarchie einzuleiten.
Die Zarin gebar vier Töchter und einen lang ersehnten Sohn. Der Thronfolger litt an der Bluterkrankheit (Hämophilie), die weit verbreitet war in den europäischen Königshäusern. Historikerinnen und Historiker gehen davon aus, dass die Krankheit sämtliche politischen Entscheidungen des Zaren beeinflussten, weil diese als Staatsgeheimnis gehütet wurde.
Die Herrscher-Familie schottete sich ab und lebte in einem goldenen Käfig, wodurch die Distanz zum Volk sehr groß war, die Not der Menschen und der Bedarf an Reformen ignoriert wurde.
Schon in den Jahren vor der Oktoberrevolution 1918 spitzte sich die politische und auch die gesellschaftliche Lage in Russland zu. Die Industrialisierung machte auch vor Russland nicht halt. Es entwickelten sich damit neue Gesellschaftsklassen, die Arbeiter und das Bürgertum. Sie forderten vermehrt Mitbestimmung und Reformen, was aber vom Zaren nicht gehört wurde.
Der 1904 begonnene Russland-Japan Krieg wurde mit hohen Verlusten verloren und das Ansehen des Zaren sank enorm. Unmut machte sich breit, nicht zuletzt wegen der schlechten Versorgungslage der Bevölkerung. Arbeiter begannen zu streiken und sich zu Protesten zusammen zu tun. Am 22. Januar 1905 kam es zum sogenannten Blutsonntag, als auf Anordnung des Zaren ein friedlicher Zug von Protestierenden durch Petrograd (heutiges St. Petersburg) blutig niedergeschlagen wurde.
Nach langer Überzeugungsrede der Minister bewilligte der Zar am 19. August 1905 in einem Dekret allgemeines Wahlrecht und die Errichtung einer Volksvertretung in Form eines Parlaments, die Duma- der Zar behielt aber das Vetorecht und somit die Entscheidungsmacht.
Während des Ersten Weltkrieges waren die Soldaten kaum mit Waffen und Munition ausgerüstet. Die Bevölkerung hungerte und die Situation mündete in eine revolutionäre Stimmung. Zunächst beschränkte sich die Februarrevolution nur auf die Hauptstadt, Petrograd, die Unruhen breiteten sich aber schnell im gesamten russischen Reich aus.
Am 15. März 1917 wurde der Zar gezwungen abzudanken. Mit seiner Zustimmung, in der er auch für seinen Sohn auf den Thron verzichtete, endete die 300-jährige Dynastie der Romanow-Familie. Es trat eine Übergangsregierung an die Macht, deren erste Amtshandlung es war, Nikolaus und seine Familie zu verhaften. Kurz darauf folgte die Verbannung nach Sibirien, genauer nach Jekaterinenburg. Dort wurde die Familie in einem Haus festgehalten, was die Bolschewiki „Haus zur besonderen Verwendung“ nannten.
In der Zwischenzeit hatte sich die Weiße Armee gegründet, um gegen die Bolschewiki zu kämpfen und den Zaren zu befreien. Als diese aber Jekaterinenburg erreichte, die Stadt einkesselte und die Freilassung des Zaren forderte, machten die Revolutionäre kurzen Prozess, was das Todesurteil der Zaren-Familie bedeutete. Zar und Zarin mit ihren fünf Kindern wurden in Keller des Hauses getrieben und dort von den Bolschewiki durch Schüsse nieder gemäht.
Danach wurden die Leichen im Wald verscharrt. Offiziell hieß es seitens der Bolschewiki, nur der Zar sei erschossen worden, der Rest Familie sei in Sicherheit gebracht worden. Erst Jahrzehnte später kam Licht in dieses Dunkel. Während der Sowjetherrschaft bestand kaum Interesse an der Ermittlung des Mordes, beziehungsweise wurde erst in den 70er Jahren nach den Leichen gesucht. Aber erst unter dem Präsidenten Jelzin konnten die gefundene Überreste durch DNA-Tests identifiziert und am 80. Jahrestag der Ermordung in der Peter-und-Paul-Kathedrale in St.Petersburg beigesetzt werden. Unter ihnen befand sich auch die legendäre Anastasia, von der nach dem Krieg vermutet wurde, sie habe überlebt. Es fehlten aber zwei Kinder, darunter der Thronfolger und seine Schwester Maria. Mittlerweile wurden diese gefunden und durch die Wissenschaft konnte bestätigt werden, dass es sich tatsächlich um die beiden Vermissten handelt.
Heute steht an der Stelle im Wald, ein Kloster mit sieben Kirchen- für jedes Mitglied der Familie. Hundert Jahre nach der grausamen Ermordung des Zarenpaares und ihrer Kinder hat sich der Ort zu einer Art Wohlfahrtsort entwickelt. Am 16. Juli pilgern jährlich Tausende von Russen an diesen Ort, um dem Zaren ihre Ehre zu erweisen. Im Jahr 2000 wurde die Zarenfamilie von der orthodoxen Kirche heilig gesprochen.
Auch nach so lange Zeit kann kein Punkt hinter diese Geschichte gesetzt werden. Noch immer bestimmt dieses Thema erinnerungspolitische Diskussionen.
Aktuell gibt es Versuche, das Massaker an der Zarenfamilie aufzuarbeiten. So tut es beispielsweise die amerikanische Netflix-Serie mit „Die letzten Zaren“. Es ist eine Mischung aus Spielfilm und historisch aufgearbeiteter Dokumentation. Sie erzählt den Mord am Zaren und seiner Familie aus der Sicht des Hauslehrers der Kinder der Romanows. Dieser soll die vermeintliche Überlebende des Massakers, die jüngste Tochter Anastasia, identifizieren. Die Elemente aus Erzählung, filmischen Szenen und der faktischen Ergänzung von Historikerinnen und Historikern, zeichnen ein interessantes Bild der Geschichte der letzten Zaren-Familie.
In diesem Zusammenhang ist auf ein tolles Event aufmerksam zu machen:
Die deutsche Schauspielerin Margit Straßburger und die in Deutschland lebende Anna Smirnowa führen am 25. Juli 2020 um 17 Uhr durch einen dokumentarisch-theatralischen Abend. Es geht um die Ermordung der Zarenfamilie und der Hintergründe, wie es dazu kam, dass das Zarentum in Russland sein Ende fand.
Ort der Veranstaltung ist die Galerie von Wilfried Staufenbiel, Schönerlinder Str. 88, 16321 Bernau. Bei Eintritt wird um Spende für die Künstlerinnen gebeten.
Weitere Infos finden Sie hier: https://www.strassburger-artists.de/veranstaltungsplan?fbclid=IwAR1wJbvrqziIXFMJuge6nKcgcwz92BLE6im0K9Afs7LMGJNIhc2VTF9FBKI