Filmrezension „Arrhythmia“
Filmrezension „Arrhythmia“
4. April 2018, von Rimma Gumanik
„Arrhythmia“, zu Deutsch „Unregelmäßigkeit“, wird im medizinischen Bereich als Fachbegriff für Herzrhythmusstörungen verwendet. Diese sind häufig ein Symptom für schwerwiegende Gesundheitsprobleme. Manchmal sind die gar die Vorboten des Todes. So geht es auch in dem Film um ein kränkelndes Medizinsystem und um Leben und Tod – sowohl wortwörtlich bei den Patienten, als auch im übertragenen Sinne um das Leben oder Tod einer Beziehung.
Im Mittelpunkt der Filmhandlung „Arrhythmia“ steht ein junges Ehepaar, Oleg (Alexander Yatsenko) und Katya (Irina Gorbacheva). Beide arbeiten im Krankenhaus, Oleg als Notarzt im Einsatz und Katya als Ärztin in der Notaufnahme.
Gleich zu Beginn des Films wird der Missstand der Ehe der beiden Hauptfiguren verdeutlicht. Bereits auf dem Weg zu einer Familienfeier kauft sich Oleg eine Flasche Wodka, die er geradewegs anfängt zu trinken. Bei den Feierlichkeiten setzt er das Trinken exzessiv fort. Für Katya scheint es der letzte Tropfen zu sein und sie benachrichtigt ihren Ehemann per SMS, dass sie sich von ihm scheiden lassen möchte. Der betrunkene Oleg reagiert zunächst überrascht, nimmt jedoch Katyas Entscheidung hin. Beide beschließen vorerst zusammen wohnen zu bleiben, bis Oleg eine andere Unterkunft findet.
Und so begleitet der Zuschauer die beiden jungen Menschen bei ihrem Alltagsleben – bei der Arbeit, dem Ehekonflikt und ihrer Art, mit dem Geschehenden umzugehen.
Dabei liegt der Akzent auf Olegs Erlebnissen. Bei seinen Einsetzen stößt er, unter anderem, auf eine Messerstecherei, ein brandverletztes Kind und eine Frau, die aus religiösen Gründen eine Bluttransfusion für ihre Mutter ablehnt und sie somit dem Tod aussetzt. Gekonnt und größtenteils doch sehr mühsam, setzt sich Oleg im Sinne seiner Patienten durch. Für ihn scheinen sie und ihr Wohlbefinden die oberste Priorität zu haben.
Als der neue Abteilungsleiter des Krankenhauses die Behandlungszeit bei Noteinsetzten, zwecks kapitalistischer Effizienz, auf 20 Minuten beschränkt, rebelliert Oleg. Er beginnt einen Kampf gegen das System, den er nicht gewinnen kann.
Zuhause muss sich Oleg der emotionalen und physischen Distanz zu seiner Frau stellen. Von dem Arbeitsstress völlig verschlungen, scheint es für Oleg unbegreiflich zu sein, warum sich Katya plötzlich von ihm trennen möchte. Sein maßloser Alkoholkonsum dient ihm als ein Bewältigungsmechanismus seiner Hilflosigkeit im Kampf gegen das bürokratische und kapitalistische System. Es entgeht ihm dabei, wie Katya darunter leidet und sich als Frau unbeachtet fühlt. Im Laufe des Films bekommt der Zuschauer den Einblick in diesen, über Jahre aufgebauten und unausgesprochenen, Konflikt, der letztendlich in dem Wunsch einer Scheidung endet.
In seiner Ratlosigkeit, unternimmt Oleg nach Katyas Ankündigung Versuche, ihr näher zu kommen. Dem Regisseur gelingt es darzustellen, wie schwierig es für Oleg zu verstehen ist, warum Katya, die noch vor wenigen Tagen seine Ehefrau war, sich plötzlich wie eine Fremde verhält, wie die alltäglichen Dinge, die sie als ein Paar geteilt haben, nicht mehr möglich sind. Auf der anderen Seite beobachtet der Zuschauer die scheinbar emotionslose Katya und wie aus ihr der über Jahre angestaute Schmerz nach und nach ausbricht.
Der russische Regisseur, Boris Khlebnikov, erzählt eine Allerweltgeschichte auf eine zynische, schroffe und doch emotionale und poetische Art zugleich. Er schafft es, dass man für zwei Stunden in das mitreißende Liebesdrama von Katya und Oleg eintaucht und mit den beiden Protogonisten mitfühlt.
„Arrhythmia“
Russland, Finnland, Deutschland 2017
Regie: Boris Khlebnikov
Drehbuch: Boris Khlebnikov, Natalya Meshchaninova
Darsteller: Aleksandr Yatsenko, Irina Gorbacheva
Genre: Drama
Produktion: CTB Film Company, Mars Media Entertainment, Don Films, Post Control, Color of May
Verleih: déjà vu Filmverleih
Länge: 116 Minuten