„Lenas Klasse“
„Lenas Klasse“
29. April 2016, von Kulturportal Russland Redaktion
Lena ist 16, fast erwachsen, und kann nach Jahren des Heimunterrichts wieder eine Schule besuchen. Endlich kann sie aktiv ihr Wissen einbringen und eine von vielen in einer Klasse sein. Doch der Weg bis in ihre Sonderklasse (Korrekturklasse) ist voller Hindernisse, wenn man wie sie auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Wie kommt sie über die Bahnschienen, wo ist die Rampe in der Schule, schafft sie die vielen Stufen nach oben? Zum Glück gibt es ja Anton, ihren neuen Mitschüler, der sie jetzt morgens von zu Hause abholt, nach der Schule wieder zurück bringt und ihr den Einstieg sehr erleichtert. Lena passt sich nach und nach dem Schulleben und der Klasse für Jugendliche mit physischer oder geistiger Einschränkung an. Das Glück und die Verliebtheit aber, die sie bald mit Anton nach außen hin zeigt, gefällt nicht jedem – und bleibt nicht ohne Konsequenzen…
— 5 Fragen an den Regisseur Iwan Twerdowski —
Ihnen ist ein eindrucksvoller Film gelungen über den Schulalltag von Schülerinnen und Schülern mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung in einer russischen Schule. Es ist eine harte Realität, die Diskriminierung und Ausgrenzung miteinschließt. Wie sind Sie zu so einem Projekt gekommen?
Das Projekt wurde von einer unserer Produzentinnen, Natalya Mokritskaya, angestoßen und sollte sich auf die Erzählung »Klass Korrekzii« (dt: »Korrekturklasse«) der Kinderpsychologin Ekaterina Morashova stützen. Als mir die filmische Umsetzung angeboten wurde, war ich anfangs wenig begeistert. Zusammen mit dem Drehbuchautor haben wir dann echte Korrekturklassen besucht, begegneten dort dem Problem und konnten daran nicht mehr vorbeigehen. Das Drehbuch beruht auf unseren eigenen Beobachtungen und Erfahrungen. Wir erinnerten uns an die eigene Schulzeit zurück, in der die Schüler der Korrekturklassen von allen ausgeschlossen und alles andere als gut behandelt wurden. Von Morashovas Erzählung ist nur noch der Titel geblieben.
Was war die größte Herausforderung bei den Dreharbeiten? Wie schwer fiel der Umgang mit diesem Thema?
Ich würde nicht sagen, dass wir irgendwelche besonderen Herausforderungen zu überwinden hatten. Wir wollten die Wahrheit erzählen, das war die Grundidee. Dabei haben uns unsere jungen Schauspieler, von denen einige selbst Schüler echter Korrekturklassen waren, beträchtlich geholfen. Logischerweise kannten sie die Probleme aus erster Hand.
Nach dem Kinobesuch meinten dann viele, dass es nicht nur schlechte Lehrer gibt und man die Welt nicht ausschließlich schwarz oder weiß sehen sollte. Vielleicht haben diese Menschen recht, doch das war unsere Sicht auf das Geschehen. Und der Film gibt das wieder, was wir erlebt haben.
In einer Szene kritisiert Lena den primitiven Matheunterricht und wird daraufhin der Klasse verwiesen. Welche Reaktionen erreichten Sie, nachdem Sie mit Ihrem Film die Mängel des russischen Schulsystems unterstrichen?
In dieser Szene geht es nicht um das Schulsystem insgesamt, sondern nur um die Korrekturklassen, die ihr eigenes Programm haben. Den Schülerinnen und Schülern wird dort zu wenig Wissen vermittelt, um letztlich gemeinsam mit allen anderen die Prüfungen zu bestehen, die sie für eine Ausbildung qualifizieren würden. Einige Zuschauer versteiften sich darauf, dass in dieser Filmszene Zehntklässler Aufgaben für die fünfte Klasse lösen mussten. So etwas gibt es im realen Leben natürlich nicht. Dennoch habe ich mich für diese Darstellung entschieden, um die Kluft zwischen den Unterrichtsformen deutlich zu machen. Ich finde, das Statement ist hier wichtiger als die Realität.
Wie kam der Film beim Publikum an?
Im Großen und Ganzen kam der Film so an, wie wir es uns gewünscht hatten. Die große Mehrheit teilte unsere Ansichten und wir bekamen viel Unterstützung. Uns ärgern lediglich die Leute, die über die vielen Probleme ganz genau Bescheid wissen und trotzdem ihre Augen davor verschließen und uns vorheucheln wollen, dass es diese nicht gibt. So ein Benehmen ist immer ärgerlich, im Leben noch mehr als im Kino.
Wie viel Dokumentarfilmcharakter steckt in »Lenas Klasse«, ihrem Spielfilmdebüt?
»Lenas Klasse« ist ein reiner Spielfilm. Ein großes Team war daran beteiligt, wir arbeiteten mit Computergrafik, Schauspielern und ihren Duobles. Ein Dokumentarfilm ist etwas ganz anderes. Übrigens kann dieser aber auch über Spielfilmcharakter verfügen, zum Beispiel bei der Perspektive.
LENAS KLASSE / KLASS KORREKZII / CORRECTIONS CLASS
RUS / D 2014 – 89 min