Schau-Prozesse: Medien und Mobilisierung im Stalinismus. Show Trials: Media and Mobilization during Stalinism
Schau-Prozesse: Medien und Mobilisierung im Stalinismus. Show Trials: Media and Mobilization during Stalinism
Der Schauprozess gegen das „Verschwörerzentrum“ um Ex-Generalsekretär Rudolf Slánský zog 1952 den Blick der Weltöffentlichkeit auf Prag. Doch auch in anderen Staaten des sowjetischen Machtbereichs wurden ähnliche Inszenierungen veranstaltet. Es besteht kein Zweifel, dass deren Inspiratoren wie Organisatoren auf das Vorbild der Moskauer Prozesse zurückgriffen. Dennoch waren die Nachkriegsschauprozesse keine bloßen Kopien: Die in den 1930er Jahren erprobte Dramaturgie gelangte nach dem Krieg prinzipiell gebrauchsfertig, aber mit anderer Zielsetzung nach Ostmitteleuropa, in die ČSR, nach Polen, Ungarn wie auch in die DDR. Sie entfaltete sich in einer zentralen Konfliktzone der Nachkriegszeit, in der unterwürfige Satelliten erst noch geschaffen werden mussten und die Sowjetunion sich vor die Daueraufgabe gestellt sah, den ideologischen Einfluss des Westens einzudämmen. Ostmitteleuropa stellt sich insofern als produktive Interaktionsebene für Verschwörungsszenarien und Kalte-Kriegs-Narrative dar. Dies gilt insbesondere auch für die Gerichtssäle und andere Orte (z. B. Theater), in denen solche Narrative auf die Bühne gebracht wurden.
Schauprozesse sind keine juristischen Verfahren, sondern mediale Ereignisse. Um mit fabrizierten Schuldzuweisungen einen Gegner politisch, moralisch, unter Umständen sogar physisch zu vernichten, bedurfte es keiner Live-Veranstaltung, die selbst bei akribischer Planung immer mit einem Restrisiko behaftet war. Der Umstand, dass die politischen Entscheidungsträger dieses Risiko eingingen, wirft Fragen nach Erwartungshorizont und Sinn sowie nach dem Spannungsfeld von politischer Justiz und gesellschaftlicher Mobilisierung auf. An einer plausiblen Dramaturgie und medienwirksamen Vermittlung arbeiteten unter dem Einfluss sowjetischer Berater politische Entscheidungsträger, aber auch Medienproduzenten und Künstler. Ausgehend von diesen Überlegungen soll das Vorhaben einen Beitrag zur Medien- und Mobilisierungsgeschichte im Kontext stalinistischer Schauprozesse leisten.
Dabei soll das Augenmerk neben den Moskauer Prozessen der 1930er Jahre vor allem auf den Nachkriegsprozessen in den Staaten des Sozialistischen Lagers liegen.
Besonders willkommen sind Beiträge zu folgenden Themenbereichen:
– Planung und Umsetzung: Rolle der lokalen Apparate und ihrer sowjetischen Sicherheitsberater, Drehbuchanalyse, Inszenierung
– Performance im Gerichtssaal: Rolle unterschiedlicher Akteure, insbesondere auch des Publikums
– Mitmachen und Mobilisieren: Partizipationsformen von Eliten (Medienvertreter, Intellektuelle, Künstler) und Partizipationsangebote an bzw. Partizipationsdruck auf die breite Bevölkerung
– Rezeption: zeitgenössische Reaktionen im Inland, in den Sozialistischen „Bruder“-Staaten sowie im westlichen Ausland
– Medien: Untersuchung konkreter Produkte – neben Printmedien auch Hörfunk und Bildmedien (Film, Karikatur, Fotografie, Plakat)
Vorbehaltlich der Förderung wird die Tagung vom 12. – 15. Mai 2021 in Düsseldorf stattfinden. Die Veranstaltung widmet sich auch der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Doktorandinnen und Doktoranden sind deshalb ausdrücklich eingeladen, Vorschläge zu Vorträgen einzusenden.
Bitte senden Sie Ihr Abstract mit einem kurzen CV bis zum 28. Juni 2020 an Prof. Dr. Beate Fieseler (fieseler@phil.hhu.de) und Dr. Ute Caumanns (ute.caumanns@hhu.de).