Wer ist „Kulturportal Russland“? – Ein kleiner Blick hinter die Kulissen
Wer ist „Kulturportal Russland“? – Ein kleiner Blick hinter die Kulissen
von Emil Herrmann
Kulturportal Russland weicht mit diesem Artikel vom Üblichen ab und gewährt euch einen kleinen Einblick hinter die Kulissen. In der Zeit der Covid-19-Krise haben viele Menschen nur noch selten Möglichkeiten des Austausches ganz geschweige denn jemanden zu Gesicht zu bekommen – das ändern wir und übergeben nun an unseren Praktikanten Emil:
Mein Name ist Emil Herrmann, ich bin 24 Jahre alt und studiere Social Sciences an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Im Zuge dieses Studiums mache ich gerade ein Praktikum beim Deutsch-Russischen Forum e.V., in dessen Rahmen ich unter anderem bei der Organisation des Bundescups „Spielend Russisch lernen“ tätig bin. Mein Hauptaufgabenbereich ist jedoch die Redaktionsarbeit von Kulturportal Russland.
Ein Praktikum beim Deutsch-Russischen Forum e.V. und insbesondere bei Kulturportal Russland ist keine 0815-Angelegenheit. Neben einem Interesse an einem breit gefächerten Aufgabengebiet, wie der Recherche für Artikel, das Führen von Interviews und der Suche nach russischen Kulturtipps, muss man selbstverständlich auch ein großes Faible für Russland mitbringen. Wie genau ich dieses entwickelt habe und wie ich letztendlich hier gelandet bin ist wohl nicht so einfach zu schildern, deshalb fange ich mal ganz von vorne an: Ich wuchs in einer schwäbischen Kleinstadt, in einem Stadtteil mit vielen Menschen mit sowjetischem bzw. russischem Migrationshintergrund auf, die sich als „Russinnen und Russen“ fühlten. Somit hatte ich von Kind an einige „Russinnen und Russen“ – wie sie sich selbst nennen – in meinen Freundeskreis. Dadurch bekam ich eine erste Kostprobe russischer Kultur, mit russischem Gangster-Rap, Plombir und selbstverständlich auch dem russischen „Mat“.
Viele Jahre später, kam ich im Zuge meines Studiums, im internationalen Studierendenwohnheim mit Russinnen und Russen in Kontakt und baute Freundschaften zu ihnen auf. Ich war schon immer sehr an anderen Kulturen und Ländern interessiert und reise sehr gerne. Durch die neuen Freundschaften und Erlebnisse, baute sich eine Begeisterung für die russische Mentalität und Kultur in mir auf, sodass ich 2018 das Land zum ersten Mal besuchte. Bei dieser Reise war ich in Chelyabinsk, Moskau und St. Petersburg. Dieser Aufenthalt genügte um mich zu fesseln und fortan beschäftigte mich immer mehr mit Russland, vornehmlich zu dieser Zeit jedoch noch auf politischer und gesellschaftlicher Ebene.
Nun lerne ich seit gut zwei Jahren Russisch in Universitätskursen. Letztes Jahr ging ich für einen Monat nach St. Petersburg um dort einen zusätzlichen Sprachkurs zu absolvieren. Seitdem lässt mich Russland definitiv nicht mehr los. Ich vertiefte mich immer mehr in das kulturelle Russland und mache mittlerweile sogar Musik, die von alten und aktuellen russischen bzw. russischsprachigen NewWave/Post-Punk-Bands inspiriert ist.
Ich denke, was mich an Russland so fasziniert, ist die reichhaltige Kultur des Landes, die komplexe und harte politische und gesellschaftliche Vergangenheit und teilweise auch Gegenwart Russlands. Aber auch die Russinnen und Russen selbst, ihre emotionale Ehrlichkeit, Begeisterungsfähigkeit und scheinbar unerschöpfliche Kraft, das Beste aus allen Situationen herauszuholen, beeindrucken mich immer wieder aufs Neue. Außerdem ist Russland für mich immer noch ein Mysterium und so groß und umfassend, dass ich es weiterhin mit voller Neugier erschließen will.
Die russische bzw. russischsprachige Pop- und Alternativkultur mit ihren gegenwärtigen Künstlerinnen und Künstlern wie Molchat Doma, Leningrad aber auch älteren kulturellen Größen wie Viktor Zoi mit seiner Band Kino hat mich schon lange in ihren Bann gezogen. Auch die klassische russische Kunst, vor allem in ihrer architektonischen Form, mit ihrem Prunk und ihrer Massivität, aber auch Detailliertheit, wie sie nicht nur am Eremitage in St. Petersburg oder der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau, sondern auch überall im ganzen Land betrachtet werden kann, bringt mich nach wie vor zum Staunen. Ich bin jedoch auch immer wieder von der, im krassen Gegensatz zur älteren, zaristischen Ästhetik stehenden, Kunst und Kultur der Sowjetunion fasziniert. Stalinistische Bauwerke wie das MGU-Gebäude in Moskau, sowjetische Denkmäler, Chruschtschowkas oder auch Propagandaposter aus den Siebzigern und Achtzigern besitzen einen gewissen Charme und versprühen eine besondere Atmosphäre. Wahrscheinlich würden die Menschen, die damals in der Sowjetunion lebten oder heute in den Plattenbauten wohnen mir in diesem Punkt eher weniger zustimmen, doch für mich wirkt vieles von dem gerade Genannten wie aus einer anderen Welt, die ich gerne erkunden möchte. Denn die osteuropäischen Gesellschaften unterscheiden sich teilweise stark von ihren westeuropäischen Pendants. Sie haben ein vorrangig konservativ geprägtes Wertesystem, welches sich jedoch auch dort langsam aber sicher – gerade in der urbanen, jüngeren Generation – verändert. Aus einem soziologischen aber auch persönlichen Blickwinkel finde ich diese Entwicklungen, insbesondere im Zusammenhang mit der post-sowjetische Vergangenheit sehr spannend. Im Allgemeinen sind diese Prozesse, die auch in anderen post-sozialistischen osteuropäischen Staaten stattfinden, überaus interessant. Ich denke für viele Menschen aus Westeuropa, die einen Faible für Osteuropa oder Russland haben, ist die Region wegen diesen signifikanten kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklungen und den Unterschieden zu Westeuropa so beliebt. Es ist das andere, weitgehend unbekannte Europa, dass spannende Einblicke bietet, die man auf diese Art und Weise in Westeuropa nicht findet.
Ich vermute, dass diese Besessenheit mit Osteuropa und Russland mich zu meiner Position als Praktikant bei Kulturportal Russland geführt hat. Hier habe ich die Möglichkeit, eines meiner großen Hobbies und Lebensinhalte – nämlich mich mit Russland und seiner Kultur auseinanderzusetzen – nahezu jeden Tag in Form meines Jobs zu praktizieren, indem ich immer wieder selbstständig Artikel verfassen, Interviews führen und anderen Menschen die russische Kultur näherbringen kann.