Zehn gute Gründe nicht nur für den Fußball nach St. Petersburg zu kommen
Zehn gute Gründe nicht nur für den Fußball nach St. Petersburg zu kommen
9. Mai 2018, von Viktoria Gonschorek
In St. Petersburg finden insgesamt sieben Spiele der Fußballweltmeisterschaft statt, auch das WM-Halbfinale und das Spiel um Platz drei. Wenn ihr zu den Glücklichen gehört, die Tickets für die Spiele habt, solltet ihr auf jeden Fall noch einige weitere Tage in Russlands zweitgrößter Stadt verbringen. Und wenn ihr nicht für die WM hinfahrt, wird es ganz dringend Zeit, St. Petersburg auf eurer Reiseliste nach ganz oben zu setzen. Kulturportal nennt euch zehn Gründe und echte Insidertipps für eine perfekte Reise nach St. Petersburg.
1. Woran denkt ihr zuerst, wenn ihr an St. Petersburg denkt? Wahrscheinlich an das Bernsteinzimmer und den Zarenpalast. Tatsächlich hat die kulturelle Hauptstadt Russlands aber noch viel, viel mehr als das zu bieten. Ja, das Bernsteinzimmer ist sehenswert. Aber der gesamte Katharinenpalast, der sich in einem Vorort von St. Petersburg befindet, ist ein einziges Wow. Jeder Raum ist anders dekoriert und verziert, bemalt und getäfelt. Bei einer Audioguide-Führung durch den Palast lernt ihr viel über die Zarenfamilie, die hier ihren Rückzugsort hatte und werdet feststellen, dass das Bernsteinzimmer nur ein Highlight unter vielen ist.
Nicht umsonst steht ganz oben in jedem Touri-Guide der Zaren- bzw. Winterpalast, der einen Teil der weltberühmten Eremitage darstellt. Diese riesige Sammlung an Gemälden, Skulpturen und Installationen muss sich vor dem Louvre in Paris nicht schämen. Angeblich braucht man wenigstens sieben Tage, um die Eremitage vollständig zu erkunden. So viel Zeit habt ihr aber nicht, denn es gibt noch viel mehr zu sehen. Für jeden Geschmack hält St. Petersburg das passende bereit: Im Russischen Museum beispielsweise wartet eine weitere eindrucksvolle Kunst- und Kultursammlung, Moderne Kunst gibt es im Erarta und wer eine Vorliebe für Skurriles hat, geht in die Kunstkammer. Um die Bevölkerung in den Naturwissenschaften aufzuklären, hat Zar Peter I. eine schräge Sammlung aus missgebildeten Föten, ausgestopften Tieren und wissenschaftlichen Kuriositäten zusammengestellt, also nichts für schwache Nerven. Außerdem ist St. Petersburg die Heimat vieler namhafter Schriftsteller, sodass ihr die Geburts- oder Wohnhäuser von Puschkin, Anna Achmatova und Dostojewski besuchen könnt, während ihr in der Stadt ihrer Geschichten wandelt. Zar Peter wollte die Museen in den Dienst der Volksbildung stellen. Dieser Gedanke lebt bis heute weiter und so sind die Eintrittspreise deshalb sehr viel günstiger, als wir es aus Deutschland gewohnt sind. Kinder sowie Studenten müssen sowieso nur einen Bruchteil des Preises zahlen und an manchen Tagen ist der Eintritt sogar für alle Besucher gratis.
2. Charakteristisch für Russland sind auch die Zwiebelturm-Kirchen. Wenn ihr nur eine Stunde in St. Petersburg hättet, müsstet ihr euch die Auferstehungskathedrale anschauen und ihr würdet garantiert wiederkommen. Sie hat viele Namen, Blutkirche, Erlöser-aus-dem-Blute-Kirche, Erlöserkirche, die zunächst eher abschreckend wirken. Die Geschichte hinter diesen Namen ist, dass an diesem Ort 1881 ein tödliches Attentat auf Zar Alexander II. verübt wurde. Sein Sohn setzte seinem Vater mit dem Gotteshaus ein einzigartiges Denkmal. Diese Kathedrale ist wunderschön, sowohl mit ihren bunten Kuppeln von außen als auch den Deckenmalereien und Verzierungen im Inneren.
Auch viele andere Kirchen in St. Petersburg, von seinen etwa fünf Millionen Einwohner und noch mehr Fans auch zärtlich ?Piter? genannt, sind einen Besuch wert. Die Isaakskathedrale ist schon innen beeindruckend, von ihrer Spitze habt ihr dann ein 360-Grad-Panorama auf das gesamte Zentrum der Stadt. Wie ein Direkt-Import aus Rom sieht die Kazaner Kathedrale mit ihrer halbrunden Form und den vielen Säulen aus. Hier findet auch noch echter Gottesdienst statt. Deshalb achtet das Kirchenpersonal auf die Einhaltung folgender Regeln: keine Fotos, als Frau die Haare bedecken und leise sein. Wenn ihr noch nie einen orthodoxen Gottesdienst gesehen habt, schaut einmal zu, denn er unterscheidet sich sehr von einer evangelischen oder auch katholischen Messe.
3. Diese Stadt ist erst knapp über 300 Jahre alt. 1703 wurde sie von Zar Peter I. aus dem Boden gestampft. Auf sumpfigen Untergrund befahl er, die neue Hauptstadt Russlands zu errichten. Aber nicht nach ihm ist St. Petersburg benannt, wie ihr vielleicht denkt, da er ja scheinbar an allem in der Stadt beteiligt war. Der Schutzheilige Simon Petrus ist namensgebend. Die ganze Stadt breitete sich von einer kleinen Festungsanlage auf die vielen Inseln der Stadt aus. Die Peter und Pauls Festung beherbergt heute außer einer Kirche auch ein Gefängnismuseum. Vor allem habt ihr von hier aber einen schönen Blick auf die andere Seite der Newa.
4. Überhaupt, die Newa. Sie ist die Lebensader der Stadt. Dieser breite Fluss fließt mitten durch St. Petersburg, die Stadtviertel sind auf Inseln aufgeteilt. Im Sommer könnt ihr Technik und Physik bei der Arbeit sehen, wenn ihr etwas Schlaf opfert. Ab Mai werden die langen Brücken über der Newa von halb eins bis in den frühen Morgen hinein hochgezogen, damit die Frachtschiffe in die Stadt fahren können. Im ersten Moment werdet ihr euren Augen nicht trauen, wenn ein Frachter, groß wie ein Hochhaus, zwischen Eremitage und Peter und Pauls Festung erscheint. Im Winter dann friert sogar die mächtige Newa zu und Eisangler versuchen ihr Glück.
5. Das Wasser ist hier allgegenwärtig und sorgt für einen weiteren der vielen Namen St. Petersburgs: Venedig des Nordens. 340 Brücken soll es hier geben, die ganze Stadt wird von Kanälen durchzogen. Im Winter wollen besonders Wagemutige nicht an der Ampel warten und überqueren die Straße, indem sie über das Eis der Kanäle laufen. Das macht aber bitte nicht, solltet ihr einbrechen, erfriert ihr schneller, als euch geholfen werden kann.
Nehmt im Sommer unbedingt an einer Kanaltour teil. Die veränderte Perspektive auf die Stadt vom Wasser aus ist sehenswert. Am berühmtesten sind die Kuss- und die Greifen-Brücke. Letztere befindet sich in Sichtweite der Erlöserkathedrale und ist deshalb beliebte Selfie-Station. Hier endet die Befestigung der Brücke nicht in einem schnöden Steinblock, sondern große Greifen halten die Ketten in ihren Mäulern. Wenn ihr dem Kanal von der Kirche weg folgst, stoßt ihr auf die Löwen-Brücke, den wenigstens genauso schönen, aber weniger bekannten Bruder. Ein anderer schöner Punkt beweist St. Petersburgs Berechtigung als zweites Venedig. Stellt euch auf die Pikalow-Brücke und ihr könnt insgesamt sieben Brücken zählen!
6. Egal zu welcher Jahreszeit bieten sich Stadtführungen an. Die ereignisreiche Geschichte St. Petersburgs (die Stadt hieß auch schon Petrograd und Leningrad) bringt euch kein Wikipedia-Artikel so gut nahe, wie die Erzählung eines Einheimischen. Jeden Tag starten Free Walking Touren am Schlossplatz vor der Eremitage. Am Ende zahlt ihr so viel, wie es euch wert war, das heißt der Guide gibt sich besonders Mühe. Natürlich gibt es die Führung auch in Englisch. In St. Petersburg müsst ihr sowieso keine Angst haben, unverstanden zu bleiben. Es ist eine multikulturelle, moderne Metropole, in der gerade die jungen Leute sehr oft gut Englisch sprechen. Außerdem ist der nächste Tourist meist nicht weit. Hinweis: Eine Fahrt durch das Zentrum vorbei an den schönsten Prachtbauten bekommt ihr mit jedem Bus, der über den Newski Prospekt fährt. Das ist die Prachtstraße St. Petersburgs, die Zar Peter angeblich mit dem Lineal von der Admiralität am Zarenpalast bis zum großen Moskauer Bahnhof angelegt hat. Erst nach dem Bahnhof macht sie einen kleinen Knick zum Alexander-Newski Kloster. Also rein in den Bus und Augen auf! Vor allem weil…
7. …der Nahverkehr in St. Petersburg für Deutsche überraschend günstig ist. Jede Busfahrt kostet 40 Rubel, das sind etwa 60 Cent. Und zwar egal, wie lange ihr sitzen bleibt. Das Kuriose dabei: Ihr gebt das Geld beim Einsteigen dem Kontrolleur, der in jedem Bus mitfährt. Auch die Metro ist günstig und gerade bei längeren Aufenthalten empfiehlt sich ein Tages- oder Wochenticket. Vor allem, weil in St. Petersburg auch unterirdisch Schönheit wartet. Die Stationen der Roten Linie in der Innenstadt sehen aus wie Ballsäle.
Auch wenn ihr ins Umland fahren möchtet, kostet euch die einstündige Fahrt mit dem Zug nach zum Beispiel Peterhof, eine Palastanlage mit aufwändigen Fontänen und Kaskaden, etwa zwei Euro. Wenn ihr des Kyrillischen mächtig sein solltet, empfiehlt sich die Taxi-App von Yandex, dem russischen Google. Hier könnt ihr Start- und Zielpunkt eingeben und euch wird sofort Ankunftszeit des nächsten Taxis und Preis berechnet. Taxis kosten ebenfalls nicht viel, vom Flughafen in die Stadt kommt ihr für etwa 10 Euro.
8. Bei so viel Glanz und Schönheit um einen herum, wollen auch die Bewohner der Stadt mithalten. Wenn ihr eine Frau ohne Absätze seht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es sich um eine Touristin handelt. Aber auch Männer kleiden sich modisch und achten auf ihr Äußeres. Deswegen gibt es in St. Petersburg viele Edel-Boutiquen und teure Kaufhäuser. Das Geschäft Au Pont Rouge zum Beispiel, dessen wunderschöne Architektur ihr euch mit Rücksicht auf eure Reisekasse lieber nur von außen anseht.
Das größte Kaufhaus der Stadt ist Galeria, hier gibt es 200 Geschäfte. Wenn ihr es lieber etwas alternativer wollt, geht den Ligovski Prospekt von Galeria aus weiter bis zum Loft Projekt Etagi. Hier sind kleine Start-Ups, Künstler, vegane Läden und vieles mehr versammelt, die auch immer wieder Veranstaltungen organisieren. Bücherliebhabern sei das Dom Knigi (Haus der Bücher) gegenüber der Kazaner Kathedrale empfohlen, das Haus ist von der amerikanischen Singer-Company gebaut worden und allein wegen der Optik einen Besuch wert.
9. Und dann ist da noch das Essen… Russische Küche ist mehr als Borschtsch (das spricht man übrigens einfach Borsch), also Rote-Beete-Suppe, und Blini, Pfannkuchen. Probiert auf jeden Fall Piroschki, Teigtaschen, die mit Fleisch, Kohl oder Apfelkompott gefüllt sind, Pelmeni und Vareniki, die sind Tortellinis ähnlich. Und keine Sorge: Solltet ihr auf einer Speisekarte Burger, Pizza, Sushi und russische Küche in trauter Gemeinschaft sehen, so spricht das nicht gegen die Qualität der Speisen.
Leckere Pelmeni und Vareniki bekommt ihr in der Pelmenija, Nab. Reki Fonatanki 25. Vegetarier halten sich an die kleine lokale Kette Ukrop und Bier-Liebhaber sollten in eins der Lokale der Kriek-Kette gehen oder in das Craft Brew Restaurant in der Malaja Morskaja 15. Für Deutsche auch erstmal überraschend: Die vielen öffentlichen Kantinen an jeder Straßenecke. Für wenig Geld bekommt ihr hier große, aber leider nicht immer leckere Portionen. Eine jedoch hervorragende Kantine befindet sich ganz in der Nähe der Erlöserkathedrale namens Mensa Wolna FM. Viele Lokale nebeneinander findet ihr in der Rubinstein Ulitsa oder der Gorochowaja Ulitsa. Extra-Tipp: Ganz am Anfang der Gorochowaja liegt das Mickey & Monkeys, so ausgefallene Shakes und Burger in Kombination wie hier seht ihr kaum woanders.
10. St. Petersburg ist immer toll, aber zu manchen Zeiten ist es noch schöner. Wer schon mal einen kleinen Vorgeschmack in Vorbereitung auf seine nächste Sibirien-Reise bekommen will, kann auch im Winter nach St. Petersburg kommen. Übrigens: Lieber -20 Grad und trockene Kälte, als nasskalte minus fünf. Wenn du aber mehr von der Stadt sehen möchtest, als den Rand deiner Mütze und die Cafés, die du zum Auftauen aufsuchst, kommt lieber erst ab dem Frühling. Ostern in Russland ist ein besonderes Erlebnis und schon im April sind die Kanäle von der warmen Sonne aufgetaut. Dann könnt ihr den Strand an der Newa und der Ostsee genießen und einige Feste miterleben, was sich vor allem wegen der Feuerwerke lohnt. Das leuchtende Farbenspektakel am Himmel gibt es in Russland nämlich nicht nur an Silvester, sondern auch zu besonderen Feiertagen. Am 09. Mai ist Tag des Sieges, am 27. Mai Stadtgeburtstag und Mitte Juni wird das Fest der Roten Segel gefeiert, das Ende des Schuljahres für alle Absolventen. Wenn ihr im Sommer kommt, sind zwar die Hotel- und Reisekosten am höchsten, aber dafür werdet ihr Zeugen der Weißen Nächte. Als nördlichste Millionenstadt bleibt es in St. Petersburg im Juli nachts noch so hell, dass ihr den Stadtplan auch um zwei Uhr in der Nacht noch lesen könnt. Diese Zeit feiert die ganze Stadt mit Musikveranstaltungen und verschiedenen Events. 2018 wird die Stimmung zur Fußballweltmeisterschaft natürlich noch mal besonders ausgelassen sein.
Das waren die zehn größten Gründe, um nach St. Petersburg zu reisen, in diese schöne Metropole, die Elemente aus Ost und West zu einer (er)lebenswerten Mischung vereint. Als Fenster zum Westen von Zar Peter I. geschaffen, bietet euch diese Stadt den perfekten Einstieg in Russland. Macht euch euer eigenes Bild, St. Petersburg erwartet euch! Счастливого пути*!